EU-Begleitgesetz:Erfolgreiche Ferienarbeit

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Mit der Beratung der ersten vier EU-Begleitgesetze stellt der Bundestag die Weichen für die Ratifizierung des Lissabon-Vertrags.

Daniel Brössler

Knapp zwei Monate nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum EU-Vertrag von Lissabon hat der Bundestag am Mittwoch die Weichen gestellt für die Ratifizierung des Reformwerks. Auf den Weg gebracht wurden in erster Lesung vier Gesetze, mit denen die Vorgaben der Verfassungsrichter erfüllt werden sollen.

Der Bundestag hat über das EU-Begleitgesetz beraten. (Foto: Foto: ddp)

Ungelöst blieb der Streit über eine von der Unionsfraktion geforderte begleitende Entschließung. Seine Fraktion halte so eine Entschließung für "entbehrlich", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Thomas Oppermann. Die CSU besteht auf einer Klarstellung, dass der Lissabon-Vertrag nur im Rahmen der Interpretation des Verfassungsgerichts Anwendung auf Deutschland finden könne.

Außerdem pocht sie auf ein Klagerecht von Verfassungsorganen gegen EU-Kompetenzüberschreitungen vor dem Bundesverfassungsgericht. Er hoffe auf "konstruktive Gespräche" über die Entschließung, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU, Hartmut Koschyk.

Ungeachtet dieses Konflikts unterstützt eine breite Mehrheit im Bundestag die neuen Europagesetze. Vorgelegt wurden sie von allen Fraktionen mit Ausnahme der Linken. "Das Grundgesetz will ein vereintes, demokratisches und sozial gerechtes Europa", sagte Oppermann. "Auf viele Fragen unserer Zeit gibt es keine nationale Antwort mehr", erklärte sein CDU/CSU-Kollege Norbert Röttgen. Ebenso brauche Europa aber die Nationalstaaten.

Es sei "ein guter Tag für den Bundestag heute", bekräftigte der europapolitische Sprecher der Grünen, Rainder Steenblock. Trotz des Wahlkampfes sei es vier Fraktionen gelungen, eine gemeinsame Position zu finden.

Nach Klagen der Linksfraktion, des CSU-Bundestagsabgeordneten Peter Gauweiler und von anderen hatte das Bundesverfassungsgericht am 30. Juni festgestellt, der Lissabon-Vertrag stehe im Einklang mit dem Grundgesetz. Dennoch verurteilten die Richter den Bundestag zum Nachsitzen in der Sommerpause.

Das Parlament müsse seiner "Integrationsverantwortung" gerecht werden, verlangten sie. Konkret heißt das: Wenn die EU Abstimmungsregeln ändert oder sich neue Kompetenzen aneignet, kann dem Deutschland nur nach einer Entscheidung des Bundestags und in beistimmten Fällen auch des Bundesrats zustimmen. Das soll nun ein Gesetz mit dem Titel "Integrationsverantwortungsgesetz" regeln.

Zwei weitere Gesetze sollen die bisher in bloßen Vereinbarungen festgehaltenen Mitwirkungsrechte von Bundestag und Bundesrat verankern. Ein viertes Gesetz ist eher technischer Natur und betrifft die Umsetzung bereits beschlossener Änderungen des Grundgesetzes.

Entstanden sind die Gesetzentwürfe in einer ungewöhnlichen Ferienarbeit. Unter Leitung der parlamentarischen Geschäftsführer gab es Verhandlungen innerhalb der großen Koalition, mit den Ländern sowie den Oppositionsparteien. Unterstützt wurden die Parlamentarier von der Bundestagsverwaltung, die normalerweise nicht dafür zuständig ist, Gesetze zu formulieren. Eng war auch die Zusammenarbeit der EU-Fachpolitiker im Bundestag, die sich fraktionsübergreifend für eine möglichst starke Stellung des Bundestags eingesetzt hatten.

Im Verlauf des Verfahrens hatte sich insbesondere die CSU mit einer Reihe ihrer Forderungen nicht durchsetzen können. So werden Stellungnahmen des Bundestags zu Vorhaben der EU auch künftig nicht verbindlich sein für die Bundesregierung. Er sei froh, dass entsprechende Versuche aus Bayern abgewehrt worden seien, sagte der SPD-Politiker Oppermann. So werde verhindert, dass Deutschland in der EU an Einfluss verliert.

Linkspartei isoliert

Durch die jetzt gefundene Regelung sei "uneingeschränkte Verhandlungsmacht der Bundesregierung nach außen und volle Rechenschaftspflicht nach innen" gewährleistet. Offenbar auch auf die CSU gemünzt, sagte der FDP-Abgeordnete Jörg van Essen: "Wir haben mit Erstaunen gesehen, dass einige politische Kräfte Europa nicht wollen."

Isoliert waren während der Debatte aber vor allem die Abgeordneten der Linkspartei. Mehrere Redner beklagten, die Linken hätten während der Verhandlungen über die neuen Lissabon-Gesetze keine konstruktive Rolle gespielt. Gerade seiner Fraktion sei zu verdanken, dass überhaupt neue Begleitgesetze mit mehr Mitsprache des Bundestages möglich geworden seien, hielt dem der Fraktionschef der Linken, Gregor Gysi, entgegen.

Die anderen Fraktionen hätten dem Lissabon-Vertrag widerspruchslos zugestimmt. "Die Konsenssoße der anderen vier Fraktionen ist eines der Probleme, mit denen wir es hier zu tun haben", sagte er. Das gelte auch für andere Politikbereiche, etwa den Afghanistan-Einsatz.

Beschlossen werden sollen die Lissabon-Gesetze am 8. September. Die Ratifizierung kann nach der Abstimmung im Bundesrat und der Unterschrift von Bundespräsident Horst Köhler erfolgen.

© SZ vom 27.08.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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