Aufmarsch in Nordrhein-Westfalen:Gegen Israel und für ein Kalifat in Deutschland

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Eine Fahne mit arabischer Schrift weht bei der Kundgebung "Gaza unter Beschuss - gemeinsam gegen das Unrecht" in Essen. (Foto: Christoph Reichwein/dpa)

Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU) reagiert entsetzt auf eine Demonstration am Freitagabend in seiner Stadt. 3000 Menschen, darunter viele Islamisten, waren durch die Ruhrmetropole gezogen.

Von Christian Wernicke, Essen

Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU) hat empört und mit Unverständnis auf eine anti-israelische Demonstration reagiert, die am Freitagabend durch die Ruhrmetropole gezogen ist. Etliche der etwa 3000 Teilnehmer hatten Slogans skandiert und Plakate hochgehalten, die ein "Khilafah" (Kalifat) in Deutschland forderten. Der dreistündige Umzug am Rande der Innenstadt wurde von 450 Polizisten begleitet und vom Staatsschutz beobachtet.

Die Demonstration war nach Angaben der Essener Polizei von einer Privatperson angemeldet worden. Hauptorganisator war jedoch offenbar die Gruppierung "Generation Islam", die von Sicherheitsexperten zum Umfeld der pan-islamistischen Bewegung "Hizb ut-Tahrir" (HuT) gezählt wird. Die HuT ist in Deutschland seit 2003 verboten. Hauptredner bei der Abschlusskundgebung in Essen war der Aktivist Ahmad Tamim, der Kopf der "Generation Islam." Der Islamwissenschaftler Ahmad Omeirate sagte der WAZ, Tamim nutze "den Nahostkonflikt für Mobilisierung und Radikalisierung".

Frauen heben den Zeigefinger ihrer rechten Hand bei der Kundgebung. Die Geste wird häufig von Islamisten verwendet. (Foto: dpa)

Oberbürgermeister Kufen bedauerte am Samstagmorgen, dass "Islamisten, Antidemokraten und Judenhasser" geschützt durch die im Grundgesetz garantierte Versammlungsfreiheit durch Essen ziehen durften: "Das ist nur schwer erträglich." Der CDU-Politiker, der von 2005 bis 2010 Integrationsbeauftragter der NRW-Landesregierung war, forderte Konsequenzen: "Der Verfassungsschutz muss Splitter- und Nachfolgegruppen der Hizb ut-Tahrir schärfer unter die Lupe nehmen. Verbote müssen eine Option sein."

Die Demonstranten hatten am Freitagabend Slogans in arabischer und deutscher Sprache gerufen. Auf Plakaten wurde der israelische Militäreinsatz in Gaza ("Stoppt den Genozid") nach dem Terrorangriff der palästinensischen Hamas verurteilt, auf einem Schild stand: "Deutsche Staatsräson fordert das Töten von Kindern." Die Veranstalter hatten anfangs über Lautsprecher an die Polizeiauflage erinnert, wonach kein Teilnehmer das Existenzrecht Israels infrage stellen dürfe. Der Hinweis wurde mit lauten Buhrufen der Menge beantwortet.

Ebenfalls über Lautsprecher wurden die Teilnehmer zu Beginn des Marsches dazu aufgefordert, Männer und Frauen zu trennen. So kam es, dass die meisten Demonstrantinnen hinter den männlichen Teilnehmern durch die Stadt marschierten. Dabei riefen sie wiederholt "Allahu akbar" ("Gott ist groß") und hielten Schilder in die Höhe, die die Einheit aller muslimischen Gläubigen und die Errichtung eines Kalifats in Deutschland forderten. Einzelne Demonstrantinnen streckten den rechten Zeigefinger in die Luft; diese Geste soll den Glauben an den "einen Gott" symbolisieren, gilt aber auch als Zeichen der Terrororganisation "Islamischer Staat". Mehrere schwarz-weiße Transparente und Fahnen erinnerten in ihrer Gestaltung ebenfalls an Darstellungen des IS.

Die Essener Polizei kündigte am Samstag an, man werde die freitägliche Demonstration nachträglich analysieren und deren "strafrechtliche Relevanz" prüfen. Es habe sich herausgestellt, dass das Motiv einer Pro-Palästina-Versammlung nur vorgeschoben gewesen sei. Stattdessen hätten die Organisatoren eine religiöse Veranstaltung durchgeführt.

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