Er galt mit nicht einmal 40 Jahren als möglicher Nachfolger von Boris Jelzin, war Vize-Premier, dann Putin-Kritiker. Nun ist Boris Nemzow ermordet worden. Stationen seines Lebens in Bildern. Nemzow wurde 1959 in Sotschi als Sohn einer Kinderärztin und eines Parteifunktionärs geboren. Nach der Scheidung seiner Eltern zog er nach Gorki, das seit dem Zerfall der Sowjetunion Nischni Nowgorod heißt. Dort studierte er Physik, dort gelangte er über die Umweltbewegung in die Politik. Er unterstützte den Reformkurs von Boris Jelzin und wurde 1991 zum Gouverneur der Provinz Nischni Novgorod ernannt. Der junge Politiker tauschte dort den gesamten kommunistischen Verwaltungsapparat aus, die Provinz wurde zu einem Vorzeige-Projekt der Jelzin-Reformen.
Der russische Präsident Boris Jelzin förderte Nemzow und holte ihn schließlich 1997 nach Moskau. Mit gerade mal 37 Jahren war Nemzow russischer Vize-Premier, äußerst beliebt in der Bevölkerung und galt bereits als potenzieller Nachfolger Jelzins.
Doch die Regierung um Premierminister Viktor Tschernomyrdin (Mitte) und Vize-Premier Anatoli Tschubais (links) geriet in eine Krise, als 1998 spektakuläre Kurseinbrüche an der Moskauer Börse das Land in eine tiefe Wirtschaftskrise stürzten. Nemzow (rechts) bot seinen Rücktritt an - und war sein Amt wieder los.
Er gründete gemeinsam mit anderen die "Union der Rechten Kräfte", der 1999 der Einzug in die russische Staatsduma gelang. Bald geriet Nemzow jedoch in Konflikt mit Wladimir Putin (links), der 2000 das Präsidentenamt von Jelzin übernahm. Nemzow kritisierte Putins Vorgehen nach dem Untergang des U-Bootes Kursk und warnte vor autoritären Bestrebungen des neuen Präsidenten.
2003 verpasste die Union der Rechten Kräfte den Einzug ins Parlament, Nemzow verlor sein Mandat in der Duma. Und was die autoritären Bestrebungen Putins anging, sollte er recht behalten. Bald wurden oppositionelle Medien geschlossen, Gegner Putins - einige von ihnen umstrittene Oligarchen - verfolgt und verhaftet. Ein Machtkampf, der 2005 mit dem von Menschenrechtlern hart kritisierten Urteil gegen Michail Chodorkowski seinen Höhepunkt erreichte. Nemzow schloss sich diversen oppositionellen Gruppen und Parteien an, sein Ansehen in der Bevölkerung war jedoch inzwischen gering. Viele Russen machen Politiker der Jelzin-Ära für das Chaos der Neunziger Jahre verantwortlich, negative Berichte der russischen Staatsmedien taten ihr Übriges.
Einen Aufschwung erlebte die russische Opposition vor der Präsidentschaftswahl 2012. Nemzow demonstrierte wie viele Hunderttausend Menschen gegen eine erneute Kandidatur Wladimir Putins um das Präsidentenamt, hier ist er 2011 auf einer Kundgebung für "ehrliche Wahlen" zu sehen. Damals spielten allerdings bereits Andere eine größere Rolle in der Opposition als er - der Anti-Korruptions-Blogger Alexej Nawalny zum Beispiel, der anschließend verhaftet und 2013 und 2014 in umstrittenen Prozessen verurteilt wurde.
Am 27. Februar 2015 wurde Boris Nemzow in Moskau mitten auf der Straße, unweit des Kreml, erschossen. Den Behörden zufolge deutet alles auf einen Auftragsmord hin. Zuletzt hatte Nemzow die russische Intervention scharf kritisiert. Wenige Stunden vor seinem Tod hatte er Putins Ukraine-Krieg für die schlechte wirtschaftliche Lage Russlands verantwortlich gemacht. Noch in der Nacht legten zahlreiche seiner Freunde und Anhänger Blumen und Bilder am Tatort nieder. Sie vermuten den Kreml oder radikale Nationalisten hinter der Tat.
Nemzow ist nicht der einzige Kreml-Kritiker, der während der 15 Jahre andauernden Ära Putin sein Leben verlor. 2006 wurde die Journalistin Anna Politkowskaja (oben, Mitte) ermordet, der Oligarch und Putin-Widersacher Boris Beresoswki (oben, rechts) wurde 2013 erhängt im Londoner Exil aufgefunden. Die Menschenrechtlerin Natalja Estemirowa (unten, links) wurde 2009 entführt und umgebracht, der Anwalt Sergej Magnitski (unten, Mitte) starb 2009 unter nie geklärten Umständen in einem Moskauer Gefängnis. Der ehemalige Geheimdienstmitarbeiter und Putin-Kritiker Alexander Litwinenko (unten, rechts) wurde 2006 in London vergiftet. Und das sind nur die bekanntesten Namen, die Liste der Ermordeten ist lang. Allein acht Journalisten und Journalistinnen der Nowaja Gaseta, für die Anna Politkowskaja schrieb, wurden bei Anschlägen getötet oder schwer verletzt.