Ermordete IS-Geisel Kenji Goto:Vergeblicher Rettungsversuch für einen Freund

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Der japanische TV-Journalist Kenji Goto, hier auf einem Archivfoto von 2010, ist von der Terrormiliz IS gefangen genommen und getötet worden. (Foto: AFP)
  • Der von der Terrormiliz "Islamischer Staat" ermordete japanische TV-Journalist Kenji Goto war nach Syrien geeilt, um seinen Freund Haruna Yukawa zu retten.
  • Goto kannte den Nahen Osten und wusste, auf welche Gefahr er sich einlässt.
  • Medien werfen Premier Shinzo Abe vor, er habe die plötzliche Hinrichtung der beiden Männer provoziert.
  • Regierungssprecher Yoshihide Suga gab zu, die Regierung habe keinen Versuch unternommen, den IS zu kontaktieren.

Von Christoph Neidhart, Tokio

Goto eilte Freund zur Hilfe

Nur drei Wochen nach der Geburt seiner zweiten Tochter hat Kenji Goto seine Familie verlassen, um einen Freund aus den Händen der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) zu befreien. Er müsse nach Syrien, sagte er seiner Frau Rinko, um Haruna Yukawa zu retten. Am Samstag wurde er von den Dschihadisten ermordet, so wie vor einer Woche bereits Yukawa.

Yukawa hatte sich in den Nahen Osten verirrt. Nach dem Tod seiner Frau, einem Suizid-Versuch, bei dem er sich kastrierte, und einem Bankrott, wollte der 42-Jährige seinem Leben einen neuen Sinn geben. Yukawa sah sich als Privatsoldat. Die IS-Terroristen hielten ihn jedoch für einen Spion, im August schnappten sie ihn, konnten sich mit ihrem Gefangenen aber nicht verständigen. Der Japaner sprach weder Arabisch noch ordentlich Englisch.

Sein Freund, der Journalist Goto, kannte den Nahen Osten. Der angesehene freie Fernsehjournalist und Autor von fünf Büchern hat seit 20 Jahren aus Kriegen berichtet, vor allem aus dem Arabischen Raum. Meist ging es ihm dabei um das Los der zivilen Opfer, vor allem der Kinder. Ein Idealist mit großem Herz, der Christ geworden ist. Schon als Junge habe der 49-Jährige sich am liebsten um Kinder gekümmert, sagt seine Mutter.

Goto nahm sich Yukawa an

Die beiden begegneten sich im April in Syrien zufällig. Goto nahm den verwirrten Yukawa, der sich für die Reinkarnation einer mandschurischen Prinzessin hielt, in seine Obhut. Als im Oktober die Meldung Japan erreichte, der IS drohe, Yukawa als Spion hinzurichten, fühlte sich Goto verantwortlich und eilte nach Syrien. Wie er in einem seiner letzten Berichte sagte, wusste er, welch hohes Risiko er damit einging.

Als die Islamisten Japan am 22. Januar erpressten, reagierten die meisten Japaner ablehnend: was wollen die beiden dort? Die Regierung habe sie nicht hingeschickt, also müsse sie sie auch nicht rausholen. Die Hinrichtung Yukawas hatte zwar Nippon schockiert, aber Mitgefühl mit sonderbaren Außenseitern kennen die Japaner kaum. Von Goto dagegen haben sie sich in den letzten Tagen ein Bild als Menschenfreund gemacht, die Nachricht von seiner Enthauptung hat Japan erschüttert und empört.

200 Millionen US-Dollar als Provokation

Für Japan ungewöhnlich deutlich werfen manche Medien Premier Shinzo Abe vor, er habe die plötzliche Hinrichtung der beiden mit seiner Ankündigung in Kairo provoziert, Japan werde den Kampf gegen "die IS-Terroristen" mit 200 Millionen US-Dollar unterstützen. Im Nachhinein sagte er, das Geld sei für humanitäre Hilfe.

Als der IS per Ultimatum 200 Millionen Dollar von Japan verlangte, war Premier Abe in Jerusalem - und gab eine Ad-hoc-Pressekonferenz: Dabei stand er vor einer israelischen Fahne. Diese Gedankenlosigkeit dürfte den IS zusätzlich provoziert haben. Schließlich schickte er einen Israel-Spezialisten als Unterhändler nach Amman. Die Nachrichtenagentur Reuters nannte das Vorgehen der japanischen Regierung "naiv".

Am Sonntag sagte Regierungssprecher Yoshihide Suga, Tokio habe alles getan, um die Leben der beiden Geiseln zu retten, musste aber zugeben, dass die Regierung keinen Versuch unternommen habe, den IS zu kontaktieren. Die Terrormiliz sei ja nicht offiziell zuständig für das Territorium, sondern Syrien. Und Japan verhandle nicht mit Terroristen. Ebenfalls nicht konsultiert wurden zwei japanische Islamwissenschaftler mit Kontakten zum IS, obwohl sie sich angeboten hatten. Dafür rief ein aufgebrachter Abe vor der Presse, er werde "die Täter zur Rechenschaft ziehen".

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