Türkei:Erdoğan deutet an, zum letzten Mal kandidieren zu wollen

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Die regierende islamisch-konservative AKP steht vor den Wahlen im Juni stark unter Druck. Bei Auftritten im Norden der Türkei spricht der Präsident von einem möglichen Rückzug und stößt wüste Drohungen gegen Griechenland aus.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan will nach eigenen Worten bei einem Wahlsieg kommendes Jahr nicht noch einmal kandidieren. Der 68-Jährige kündigte bei einem Auftritt in der nordtürkischen Stadt Samsun am Wochenende an, 2023 ein "letztes Mal" um die Unterstützung der Nation zu bitten. Danach werde er an jüngere Politiker übergeben. Mit seiner islamisch-konservativen Partei AKP tritt Erdoğan bei den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen an, die spätestens im Juni stattfinden.

Angesichts von mehr als 80 Prozent Inflation steht der Präsident allerdings erheblich unter Druck. Nach einer Umfrage von November kämen derzeit weder ein Zusammenschluss von sechs Oppositionsparteien noch die AKP mit ihrem Partner, der ultranationalistischen Partei MHP, auf eine absolute Mehrheit. Auch ein Sieg Erdoğans bei der gleichzeitig stattfindenden Präsidentschaftswahl gilt alles andere als sicher. Die sechs Oppositionsparteien, darunter die Mitte-links-Partei CHP, haben sich mit der Absicht zusammengeschlossen, Erdoğan abzulösen. Einen Präsidentschaftskandidaten hat das Bündnis noch nicht bekannt gegeben.

Erdoğan ist seit fast 20 Jahren an der Macht - zunächst als Ministerpräsident, seit 2014 als Staatspräsident. Vor fünf Jahren wurde per Volksabstimmung das parlamentarische System durch ein Präsidialsystem ersetzt - seitdem hat der Präsident deutlich mehr Befugnisse.

Bei einer Veranstaltung mit Jugendlichen, die ebenfalls in Samsun stattfand, stieß Erdoğan zudem wüste Drohungen gegen die griechische Regierung aus. Im Territorialstreit um mehrere Inseln in der Ägäis drohte er dem Nachbarland indirekt mit Raketenangriffen. Wenn Griechenland in Bezug auf die Inseln keine Ruhe gebe, "dann wird ein Land wie die Türkei natürlich nicht tatenlos zusehen, sondern muss etwas tun", sagt der Präsident. In Athen seien die Politiker nervös, weil die von der Türkei entwickelte Rakete Tayfun auch die griechische Hauptstadt treffen könne. "Du erwähnst Tayfun und der Grieche wird nervös", sagte Erdoğan. Die Reichweite der vom Rüstungshersteller Roketsan entwickelten ballistischen Rakete beträgt nach Berichten des Staatssenders TRT mindestens 300 Kilometer geschätzt. Die Rakete sei im Oktober erfolgreich am Schwarzen Meer getestet worden.

Die Türkei stellt die Souveränität Griechenlands über zahlreiche bewohnte und unbewohnte griechische Inseln im östlichen Mittelmeer infrage und fordert den Abzug aller griechischen Truppen von diesen Inseln. Zurzeit ist die Lage zwischen den beiden Nato-Partnern in der Ägäis äußerst angespannt. Erdoğan hatte Griechenland in den vergangenen Wochen wiederholt mit dem Satz gedroht: "Wir könnten plötzlich eines Nachts kommen."

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