Energiepolitik:Länder wollen Atom-Milliarden

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Die Laufzeitverlängerung bringt dem Bund Milliarden - und vor allem die Länder wollen nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" etwas vom Geld der Atomkonzerne abhaben. Andere hingegen verzichten lieber auf das "vergiftete Geschenk".

Milliarden werden fließen, irgendwann. Geht es nach der Bundesregierung, wandern an die 15 Milliarden Euro von den Atomkonzernen in einen neu zu schaffenden Förderfonds, als Ausgleich für längere Reaktor-Laufzeiten. Die Mittel sollen dem Ausbau erneuerbarer Energien dienen, aber auch dem effizienteren Umgang mit Wärme und Strom. "Dies sind die entscheidenden Voraussetzungen, um langfristig auf Kernenergie verzichten zu können", schrieben Bundesregierung und Atomkonzerne in die Vereinbarung, die sie kürzlich schlossen.

Anti-Atomkraft-Protest vor dem Berliner Reichstag: Während die einen noch gegen längere Laufzeiten der Meiler demonstrieren, streiten sich die Länder bereits um die Milliarden, die die Atomkonzerne dafür abdrücken müssen. (Foto: Reuters)

Was genau aber der Bund mit den Milliarden anfangen will, dazu gibt es unterschiedliche Vorstellungen. Und hier beginnt das Problem.

Vor allem die Länder haben ein Auge auf die Mittel geworfen."Wir erwarten, dass 50 Prozent des Geldes in die Standortländer fließen", sagt etwa Bayerns Umweltminister Markus Söder (CSU). Schließlich hätten diese Länder auch den größten Wandel zu verkraften. "

Je mehr Kernenergie ein Land hat, desto höher sollte der Anteil an den Mitteln sein", sagte er der Süddeutschen Zeitung - was wiederum Bayern sehr zupasskäme. Regeln ließe sich das etwa über einen eigenen Beirat, der über die Verteilung der Atommilliarden wacht, schlägt Söder vor. "Es geht um viel Geld", weiß Bayerns Umweltminister.

Das schwant auch anderen Betreiberländern. Auch Hessens neue Umweltministerin Lucia Puttrich (CDU) verlangt einen Anteil. "Die Länder müssen an den Einnahmen beteiligt werden, weil der Ausbau der erneuerbaren Energien in hohem Maße in den Ländern erfolgt", sagte sie der SZ.

Standorte der Atommülllager fordern "gerechten Ausgleich"

Baden-Württemberg möchte bei der Verteilung der Mittel ebenfalls mitreden. Und Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister (CDU) verweist freundlich auf die vielen Lasten, die allein sein Bundesland für die Atomkraft schultere. Weswegen die Standorte der Atommülllager einen "gerechten Ausgleich" verdienten.

Niedersachsen sei durch das marode Atommülllager Asse II bei Wolfenbüttel, das Zwischenlager in Gorleben und das geplante Endlager Schacht Konrad in Salzgitter besonders belastet. Schließlich sei schon im Koalitionsvertrag von Schwarz-Gelb von einem gerechten Ausgleich für die Energiestandorte im Land die Rede. Die Regierung in Hannover geht davon aus, dass etwa rund um Windparks zur See massiv investiert werden muss.

Ähnlich sieht das Peter Harry Carstensen (CDU), der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein. Der Christdemokrat fordere schon seit langem, dass die Länder bei einer Laufzeitverlängerung "an der Wertschöpfung beteiligt werden", so sein Sprecher. Auf das Land würden etwa beim Ausbau der Offshore-Windkraft-Nutzung und anderer Technologien neue Aufgaben und Kosten zukommen.

Nur jene elf Länder, die bislang keine Kernkraftwerke haben, halten sich bislang bedeckt. "Wir machen uns noch keine Gedanken über finanzielle Forderungen, weil wir mit anderen Ländern eine Klage prüfen", heißt es etwa in Brandenburg.

Streit um die Milliarden ist der Koalition ohnehin sicher - zumal auch andere Ideen haben, was mit dem Geld geschehen soll: Der Bund etwa möchte aus den AKW-Milliarden Teile seines teuren Energiekonzepts bestreiten, in den Eckpunkten dazu wimmelt es von Millionen und Milliarden.

Und auch die Unternehmen selbst hätten gerne einen Teil ab.

So will der Stromverband BDEW das Geld am liebsten verwenden, um die Konkurrenz zu den großen vier Stromkonzernen zu stärken - die sich durch die Beschlüsse der Bundesregierung arg benachteiligt sehen. Kommunale Versorger und neue Anbieter würden immer wichtiger für Energiepolitik und Klimaschutz, sagte BDEW-Geschäftsführerin Hildegard Müller. "Deshalb sollte gerade ihnen der Fonds zugutekommen."

Atomkonzerne: Verteilung ist Sache der Politik

Nur sehen das viele Stadtwerke anders. Schließlich könnten die abgeschöpften Gewinne die Nachteile im Wettbewerb kaum kompensieren, kritisierte Hans-Joachim Reck, Chef der Stadtwerke-Lobby VKU. "Was wir brauchen, ist eine Stilllegung ineffizienter Kohlekraftwerke der Energiekonzerne." So ließe sich deren Marktmacht etwas mindern.

Und auch jene Branche, die besonders von den Milliarden profitieren will, würde gerne auf solche Hilfe verzichten. "Wir wollen das Geld nicht", sagt Dietmar Schütz, Präsident des Bundesverbands Erneuerbare Energien. "Das ist ein derart vergiftetes Geschenk, dass wir das Geld kategorisch ablehnen."

Zumal noch gar nicht klar ist, wie viel Geld in den Fonds fließen wird. Wird die Nachrüstung der 17 Kernkraftwerke teurer als von der Bundesregierung angesetzt, reduziert sich der Beitrag der vier Betreiber-Konzerne Eon, RWE, Vattenfall und EnBW.

Die vier Unternehmen selbst halten sich zu den Fondsmitteln bedeckt. Wie die am Ende verteilt würden, sei ganz alleine Sache der Politik. "Aber letztlich", so heißt es bei Eon, "wird daraus auch der Satz resultieren: Die Kuh, die ich melken will, soll ich nicht schlachten."

© SZ vom 14.09.2010/Michael Bauchmüller, Jens Schneider, Mike Szymanski, Fabian Heckenberger - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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