Energiepolitik:Dicke Luft am Windrad

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Die Koalition streitet über geplante Mindestabstände zu Siedlungen. "Wir können das in dieser Form nicht machen", sagt Umweltministerin Schulze über den Gesetzentwurf des Wirtschaftsministeriums. Auch grüne Landesminister warnen vor "dramatischen" Folgen.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Die geplanten Abstandsregeln für Windräder sorgen zunehmend für Streit innerhalb der Bundesregierung. Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) lehnte die Pläne des Wirtschaftsministeriums am Donnerstag ab: "Wir sind mit dem Vorschlag nicht einverstanden", sagte sie am Rande einer Konferenz in Berlin. "Wir können das in dieser Form nicht machen." Die SPD wolle den Ausbau des Ökostroms.

Hintergrund ist ein Gesetzentwurf aus dem Bundeswirtschaftsministerium, der für neue Windräder einen Mindestabstand von Wohngebäuden vorsieht. Demnach dürfen sie nicht näher als 1000 Meter an Kleinstsiedlungen mit fünf oder mehr Häusern heranrücken. Nach Auffassung von Experten könnte dies die Fläche, die für Windräder zur Verfügung steht, nahezu halbieren. Auch würde es schwieriger, alte Windräder gegen neue zu ersetzen. Viele der in die Jahre gekommenen Anlagen liegen innerhalb des 1000-Meter-Umkreises. Bislang gibt es keine bundesweit einheitliche Regel für den Abstand, jedes Bundesland regelte das auf seine Weise.

Kritik kommt auch aus den Ländern - jedenfalls aus denen mit grüner Regierungsbeteiligung. In einem Brief an Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) warnen zehn grüne Landesministerinnen und Landesminister vor "dramatischen" Folgen der Vorgaben. "Der Ausbau der Windkraft wäre faktisch am Ende", schreiben sie. Tausende Arbeitsplätze könnten verloren gehen. "Die geplante Regelung macht die Erreichung der Klimaziele für 2030 unmöglich und schadet der Industrie massiv." Das Ergebnis von Altmaiers Politik sei "nicht weniger als ein Ausverkauf einer der Schlüsselindustrien des 21. Jahrhunderts". Schon am Mittwoch hatte Altmaier einen ungewöhnlich scharfen Brief erhalten - den allerdings von einem Bündnis aus der Wirtschaft. Der Industrieverband BDI hatte den Appell zusammen mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund, Stromverbänden und der Windbranche gestartet.

Altmaier selbst wies die Kritik Schulzes am Donnerstag zurück. Die Idee gehe nicht auf das Wirtschaftsministerium zurück, sagte er. Vielmehr setze der Gesetzentwurf eine Einigung des Klimakabinetts um, für die auch Schulze gestimmt habe.

Tatsächlich hatte sich Ende September der Koalitionsausschuss in seiner nächtlichen Sitzung zum Klimapaket auf die Abstandsregelung verständigt. Vor allem die Union hatte auf strenge Abstandsregeln gedrängt, der Streit darum hatte schon das Koalitionstreffen bis zur letzten Minute beschäftigt. Allerdings hatten die Spitzen von Union und SPD am Ende eine denkbar schwammige Formulierung gewählt: Demnach sollte die Abstandsregel für "reine und allgemeine Wohngebiete" gelten, aber auch für "dörfliche Strukturen mit signifikanter Wohnbebauung, auch wenn sie nicht als solche ausgewiesen sind". Woran genau sich diese Größe bemessen soll, daran entzündet sich nun der Streit. Denn je nachdem, ab wie vielen Häusern eine Siedlung eine Siedlung ist, wirkt auch die Abstandsregelung mehr oder weniger restriktiv. Die ursprünglich für Montag geplante Kabinettsentscheidung ist mittlerweile auf frühestens Anfang Dezember vertagt.

Der Windkraft allerdings schadet die Debatte schon jetzt. Die Zahl neu installierter Windräder war zuletzt rapide gesunken, auch wegen der Widerstände vor Ort. Die Unsicherheit über die künftige Rechtslage könnte nun noch weitere Projekte ausbremsen.

© SZ vom 15.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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