Elfenbeinküste:Hoffen auf ein schnelles Ende mit Schrecken

Bürgerkriegsähnliche Zustände und Berichte über Massentötungen: Der Machtkampf in der Elfenbeinküste wird immer brutaler. Wahlgewinner Ouattara verstrickt sich in einen Belagerungsfeldzug, die Bevölkerung leidet und der Westen schaut bisher zu.

Arne Perras

So schnell geben diese jungen Männer nicht auf. Sie wollen kämpfen, wenn es sein muss, bis zum letzten Schuss. Ihr Held heißt Laurent Gbagbo, auch wenn die ganze Welt das alles anders sehen mag. Der Belagerte von Abidjan kann auf seine "jungen Patrioten" zählen, auch in Zeiten, da reguläre Sicherheitskräfte in Massen geflohen sind oder die Seite gewechselt haben. Die Jugendmilizen sind durch Menschen wie Gbagbos Einpeitscher, Charles Blé Goudé, fanatisiert worden. Sie glauben an eine internationale Verschwörung und auch daran, dass im Kampf um Abidjan Gut und Böse miteinander ringen, dass Gott mit ihnen sein wird in dieser letzten Schlacht, die nun schon seit vier Tagen tobt.

Neben den Jugendmilizen gibt es die gut geschulte Elite der "Republikanischen Wache", die sich schützend vor Gbagbo stellt. Das waren einmal 2500 Mann, wobei derzeit nicht sicher ist, wie viele Gbagbo noch tatsächlich die Treue halten. Sicher ist nur eines: Die gegnerischen Truppen von Alassane Ouattara, der als international anerkannten Wahlsieger den widerspenstigen Gbagbo militärisch in die Knie zwingen will, haben es schwerer, als anfangs vermutet wurde.

Die Weltgemeinschaft hat den Mann durch Sanktionen isoliert, um ihn zur Aufgabe zu bewegen. Die Truppen um Gbagbo schwinden. Und doch hat dies den Belagerten noch nicht so stark geschwächt, dass Ouattara den Sieg ausrufen kann.

Vielleicht dauert es nur noch einige Stunden, vielleicht auch noch Tage, bis Ouattara am Ziel ist. Dass Gbagbo das Ruder noch einmal ganz herumreißen kann, gilt als nahezu ausgeschlossen. Aber dies sind nun doch besonders bedrohliche Zeiten für die Bewohner von Abidjan, die schutzlos in ihren Häusern sitzen und zittern. Fast jeder fünfte ist geflohen angesichts des tödlichen Duells, das sich Ouattara und Gbagbo liefern.

Unübersichtliches Schlachtfeld

Augenzeugen berichteten am Samstag von schwerem Artilleriefeuer und Maschinengewehrsalven in verschiedenen Vierteln, am Sonntagmittag gab es eine Feuerpause, in denen Bürger versuchten, ihre Vorräte aufzustocken. Aber die Angst ist groß und Bewohner sagten am Nachmittag, dass sie mit weiteren Gefechten rechneten. Abidjan hat sich in ein unübersichtliches Schlachtfeld verwandelt, und vieles deutet darauf hin, dass dieser Krieg um die Macht immer schmutziger wird. Ouattara mag betonen, dass er keine andere Wahl habe, um die "Demokratie wieder herzustellen". Doch auch seine Kräfte geraten zunehmend ins Zwielicht, besonders seitdem das Massaker von Duékoué bekannt geworden ist, bei dem mehr als 800 Menschen im Westen starben. Ouattaras Camp weist jede Verantwortung zurück, doch die Untersuchungen haben erst begonnen. Und sie könnten den Wahlsieger noch gewaltig unter Druck setzen.

Doch kümmert es die Welt, was in Westafrika geschieht? Während es eine UN-Resolution zu Libyen gibt, mit Hilfe einer Flugverbotszone Zivilisten vor An-griffen durch Gaddafis Regime zu schüt-zen, fragen sich manche Beobachter, ob es nicht auch die Bürger der Elfenbeinküste verdient hätten, vor militärischer Gewalt beschützt zu werden. "Offenbar sind sechs Millionen Libyer mit Öl wichtiger als 20 Millionen Ivorer mit Kaffee", lautet einer von vielen Online-Kommentaren, die ähnlich intoniert sind. Allerdings gibt es gerade viele Afrikaner, die Interventionen von außen generell skeptisch betrachten. Sie vermuten, dass Militäreinsätze vor allem durch strategische Interessen des Westens getrieben sind und weniger dem Wohl schutzloser Menschen dienen.

Die "International Crisis Group" spricht in ihrer jüngsten Einschätzung von "Massentötungen und extremer Gewalt" in der Stadt Abidjan. "Das Unvorstellbare breitet sich vor unseren Augen aus." Die Weltgemeinschaft müsse "sofort, mutig und effektiv handeln". Doch es ist eher damit zu rechnen, dass die Staaten weiter abwarten. Sie hoffen, dass Ouattaras Offensive ein baldiges Ende mit Schrecken bringt. Über ein "Schrecken ohne Ende" möchte der Westen gar nicht nachdenken, denn er blickt vor allem auf die Umwälzungen in der arabischen Welt und den Kampf gegen Muammar al-Gaddafi.

Merkmale ethnischer Säuberungen

Die 9000 Mann starke Blauhelmtruppe in der Elfenbeinküste wird die Bevölkerung kaum schützen können. Sie hat zwar französische Truppen an ihrer Seite, muss aber zu viel Energie darauf verwenden, sich selbst zu schützen. So bleibt wenig Kraft für den Schutz der Bevölkerung. Die Truppen sind schlecht ausgerüstet, kaum motiviert und werden durch bürokratische Prozeduren gelähmt.

Die jüngsten Massaker, die Merkmale "ethnischer Säuberungen" tragen, werden die Debatte in der Weltgemeinschaft zwar noch einmal beleben, aber es gilt als unwahrscheinlich, dass sie in eine weitere westliche militärische Intervention münden könnten. Eher hat noch eine Mission unter Führung der regionalen Staatengemeinschaft Ecowas eine Chance, aber nicht einmal dies ist sicher.

Frankreich hat indes entschieden, angesichts der schweren Gefechte in der Wirtschaftsmetropole seine Truppen im Lande zu verstärken. Paris, das jetzt den Flughafen kontrolliert, flog in der Nacht zum Sonntag weitere 300 Soldaten ein. Nun verfügen die Franzosen über 1400 Mann in der Elfenbeinküste. Auf die Frage, ob Paris dabei helfen werde, Gbagbo zu entmachten, verwies Militärsprecher Thierry Burkhard auf das begrenzte Mandat. Es umfasst den Schutz französischer Landsleute und Hilfe für die UN, sobald die Blauhelme sie anfordern. Von Gbagbo ist darin keine Rede.

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