Donald Trump:Lehrjahre in Washington

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Syrien, China, Nordkorea - der US-Präsident wird mit der harten Realtität in der Weltpolitik konfrontiert. Jetzt muss er beweisen, dass er mehr als nur ein Großmaul ist.

Von Stefan Kornelius

Tröstlich zu wissen, dass die Gesetze der Schwerkraft auch für Donald Trump gelten. Unklar ist aber, ob er sich dieser Erkenntnis beugt und ob sie ihn überhaupt erreicht hat. Die Teilentmachtung des West-Wing-Diabolos Stephen Bannon werten ja viele schon als Signal einer Ernüchterung, eines neuen Realismus im Trump-Lager. Vielleicht ist es aber auch viel banaler, und ein Super-Narzisst ist einem anderen Super-Narzissten zu sehr auf die Nerven gegangen. Die Giftgas-Toten in Syrien und der Besuch des chinesischen Präsidenten Xi Jinping haben jedenfalls das Potenzial, den amerikanischen Präsidenten mit ein paar unumstößlichen Kräften in der Außenpolitik vertraut zu machen, denen auch er sich wird ergeben müssen.

Syrien, China, Nordkorea - der US-Präsident wird nun geprüft

Trumps neue Welt am Tag 75 seiner Amtszeit verträgt sich nicht mit der Vorstellung, die der Mann bisher mit dem Präsidentendasein und der internationalen Rolle seines Landes verband. Die entsetzlichen Bilder aus der syrischen Provinz Idlib, die wächsernen Gesichter der Kinder unter den Giftgas-Toten und die Raketenprovokationen aus Nordkorea müssen in den USA schrille Warnsignale auslösen. Nein, dieses Land kann sich nicht von den Krisen abwenden und in eine eigene Realität flüchten. Ein Machtvakuum gibt es nicht, Isolationismus ist in dieser Welt nicht mehr vorgesehen, er wird sofort bestraft. Wie schon Trumps Vorgänger erfahren musste: Wer weicht, macht Platz für Alternativen. Die sind in der Regel nicht besser und schaden den USA umgehend selbst.

In einer interessanten Fügung trifft sich Trump also exakt am Ende jener Woche mit dem chinesischen Präsidenten, in der Amerikas Sprachlosigkeit und Handlungsunfähigkeit so eklatant sichtbar werden. Xi Jinping vertritt jenes System, das zwar allen US-Präsidenten Respekt abnötigt (qua Größe und wirtschaftlicher Schlagkraft), das aber gerade deshalb auch eine Herausforderung, wenn nicht gar Bedrohung für das amerikanische Demokratiemodell und ihre Vorstellungen von einer Weltordnung darstellt. Wohlgemerkt: in der Theorie.

In der Praxis musste selbst ein Internationalist wie Barack Obama erkennen, dass Amerikas Einfluss und Gestaltungsmacht unterhalb der nackten militärischen Intervention Grenzen gesetzt sind. Über Syrien haben sich die besten der Besten den Kopf zerbrochen, ohne die Löschformel für diesen Weltbrandherd zu finden. Und Chinas stiller, aber stetiger Expansionismus lässt sich ebenso wenig per politischer Formel aus dem Weißen Haus steuern. Es geht also wie immer im Staatengeschäft um Hebel und Einfluss, um Verbündete und Attraktivität.

Trump hat mit seinem isolationistischen Gerede und den ersten Entscheidungen im Amt die Entmachtung der USA beschleunigt. In Ostasien hat er das Freihandelsabkommen TPP zerrissen, das für die asiatischen Unterzeichner mindestens so sehr eine politische Beistandsgarantie war wie ein Handelsvertrag. Die Abwendung von der Klimapolitik brachte Trump ebenfalls keinen Respekt ein bei all jenen Staaten, die unter Luftverschmutzung leiden, von Überschwemmungen bedroht sind oder in der Erderwärmung prinzipiell ein Menschheitsproblem sehen. Noch ehe Trump seine Hand zum Eid auf die Bibel legte, wurde Xi in Davos von der Weltwirtschaftselite als neuer Heilsbringer für offene Märkte und andere globale Probleme gefeiert.

Der Isolationismus Trumps ist vor allem eine Einladung an alle Regelbrecher, die im schlimmsten Wortsinn über Leichen gehen. Obama erlebte seinen größten Glaubwürdigkeitsverlust, als er eine rote Linie in Syrien zog und tatenlos zusah, wie sie überschritten wurde. Trump hat schon viele Linien gezogen, sie bestehen meist aus weniger als 140 Buchstaben. Jetzt holt ihn die Realität ein, und es wird sich schnell entscheiden: Ist er Großmaul oder Präsident?

Vier weltpolitische Herausforderungen sind es, die Trumps Präsidentschaft prägen werden: Die Bedrohung durch Nordkorea mit Nuklearwaffen und der Krieg in Syrien sind im Kern militärische Konflikte, die aufgepumpt sind mit großen Fragen nach Ordnung und Einfluss von Großmächten in wichtigen Weltregionen. Jedes tote syrische Kind ist darin ein Beleg der Ohnmacht der USA. Die Zähmung der Globalisierung und die Klimapolitik entscheiden darüber, ob die USA dem chinesischen Modell eine Alternative entgegenzusetzen haben. China ist für Trump geradezu die Ursache aller amerikanischen Übel.

Für alle seine Probleme hält Trump die gleiche Antwort parat: Er droht in großen Worten; er verspricht, man werde die Dinge nicht hinnehmen. Nun muss er also handeln. Die Realität hat ihn eingeholt. Sie kann ihn auch schnell verschlingen.

© SZ vom 07.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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