Donald Trump:Der große Unbekannte

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Europas Politiker sind wie gelähmt, seit Donald Trump zum US-Präsidenten gewählt wurde. Nun wollen sie Gemeinsamkeit demonstrieren - Barack Obama soll dabei helfen.

Von Stefan Kornelius, München

Es kommt sehr selten vor, dass die deutschen Experten fürs Globale nichts wissen über ihren wichtigsten Verbündeten - und das auch noch öffentlich zugeben. Am Freitag aber ließ Außenminister Frank-Walter Steinmeier über seinen Sprecher ausrichten, dass noch etwas Geduld nötig sei. Man lebe mit Fragezeichen, erwarte aber bald Aufklärung über diesen neuen amerikanischen Präsidenten.

Immerhin: Angela Merkel hat mit Donald Trump telefoniert. Solche Gespräche dauern in der Regel wenige Minuten, Donald Trump soll sehr aufgekratzt gewesen sein. Neuerdings spricht er über Deutschland ja wieder in den höchsten Tönen. Theresa May, die britische Premierministerin, hat auch schon geflissentlich von ihrem ersten Kontakt berichtet, als gelte es, Fleißpunkte zu sammeln für besondere Nähe.

Tatsache aber ist: Selten war die europäische Politik so blind, selten wurde so gerätselt wie über Trump und seine mögliche Wirkung auf die Welt. Die Europäische Union tut, was sie in diesen Momenten gerne tut: Sie versammelt ihre Außenminister. Am Montag kommt die Truppe zu den Themen Nahost und europäische Sicherheit zusammen - über Trump wird man danach aber auch nicht mehr wissen.

Darum geht es auch nicht. Die Planer bei der EU und in den Ministerien wollen eine andere Botschaft senden: Seht her, wir lassen uns von diesem Wahlergebnis nicht aus dem Gleichgewicht bringen. Wie unmittelbar nach dem Brexit-Votum gehe es um eine Machtdemonstration, sagt ein mit der Vorbereitung vertrauter Diplomat. Dieses Bild wird auch der Fünfer-Gipfel vermitteln, der am Freitag in Berlin stattfindet. Bereits am Mittwochabend wird US-Präsident Barack Obama in der Hauptstadt erwartet. Donnerstagnachmittag und -abend trifft er die Kanzlerin - Stunden vertraulicher Gespräche zwischen dem künftigen Ex-Präsidenten und seiner Lieblingspartnerin. Am Freitag stoßen dann der französische Präsident und die Regierungschefs aus Großbritannien und Italien dazu.

Das Treffen ist eher dem Zufall geschuldet, Obama stand bei den Griechen (und der griechischen Wähler-Community in den USA) in der Schuld und verband den Trip nach Athen mit einem Abschieds-Abstecher nach Berlin. An Trump dachte bei der Planung keiner. Jetzt gewinnt das Treffen eine neue Bedeutung: Bündnissolidarität. Zeigen, wofür man steht. Nötig ist diese Geste: Im Baltikum machen sie sich große Sorgen, wer für ihre Sicherheit garantiert. Bundespräsident Joachim Gauck sah sich genötigt, seiner estnischen Kollegin Kersti Kaljulaid Deutschlands Solidarität und militärischen Beistand zu versichern. "Dies ist nicht Zeit für eine Schwächephase", sagt ein hochrangiger Berater.

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(Foto: N/A)

SZ-Grafik; Quelle: ZDF Politbarometer/Forschungsgruppe Wahlen

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SZ-Grafik; Quelle: ZDF Politbarometer/Forschungsgruppe Wahlen

Es bleibt nämlich das Dilemma: Donald Trump ist der große Unbekannte, niemand kennt seine Pläne - möglicherweise nicht mal er selbst. Trumps Äußerungen zu konkreten politischen Themen sind so vage oder so radikal, dass sie von den Experten als unglaubwürdig oder nicht umsetzbar abgetan werden. Was aber, wenn er es ernst gemeint hat? Was, wenn er tatsächlich die Unterschrift zum Klimaabkommen zurücknimmt, die Umweltbehörde abschafft, die Gesundheitsreform zertrümmert, das staatliche Schulwesen zerschlägt, die Krim als russisches Territorium anerkennt, Sicherheitsgarantien der Nato aufkündigt, neue Importzölle für chinesische Produkte verhängt?

Fachleute machen darauf aufmerksam, wie schwierig es sein wird, etwa die Gesundheitsreform Obamas abzuschaffen. Dazu braucht es Gesetze, Abwicklungspläne, Mehrheiten. Oder Nafta, das nordamerikanische Freihandelsabkommen: Was wird Trump tun, wenn Mexiko die Nachverhandlung eines 22 Jahre alten völkerrechtlichen Vertrag verweigert?

Es ist diese Ungewissheit, die so kurz nach der Wahl Trumps Macht stärkt und bei Gegnern wie Gefolgsleuten einen Emotionsmix aus Lähmung, Unterwürfigkeit und Beutehunger auslöst. Vertraute von Trump werden in US-Medien mit den Worten zitiert, dass Unberechenbarkeit den Kern von Trumps Charakter ausmache. Mit einer Mischung aus Pompösität und Hinterhältigkeit habe er als Immobilieninvestor die besten Geschäfte gemacht.

Außenpolitik wird so nicht funktionieren - das macht die europäischen Akteure gelassen. Einige der Berater haben jetzt den Kalender studiert und wollen Mitte Dezember nach Washington reisen. Bis dahin müsste dort das Personalgerüst stehen, und Inhalte werden sich schütteln. Steinmeiers Fragen lassen sich dann beantworten.

© SZ vom 12.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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