Diplomatie:Visite voller Symbolik

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Griechenlands Premierminister Alexis Tsipras reist in die Türkei. Auf dem Programm stehen ein paar heikle Punkte, etwa ein Besuch der Hagia Sophia.

Von Christiane Schlötzer, Istanbul

Griechenlands Premier Tsipras (links) und der türkische Präsident Erdoğan am Dienstag in Ankara. (Foto: AFP)

Der griechische Premier Alexis Tsipras war am Dienstag noch nicht zu seinem zweitägigen Besuch in der Türkei eingetroffen, da gab Ankara bekannt, dass man ein Kopfgeld auf acht Offiziere ausgesetzt habe, die nach dem Putschversuch 2016 mit einem Hubschrauber nach Griechenland geflohen waren und um Asyl gebeten hatten. Die Männer wurden auf die Liste der meistgesuchten "Terroristen" gesetzt. Für Hinweise zu ihrer Ergreifung gibt es nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu je vier Millionen Lira (rund 670 000 Euro) Belohnung.

Das Verhältnis der beiden Länder ist historisch belastet, zuletzt gab es aber auch Entspannung

Tsipras hatte sich stets auf die Urteile griechischer Gerichte berufen, die eine Auslieferung verhinderten. Zwar war erwartet worden, dass Präsident Recep Tayyip Erdoğan das Thema ansprechen würde - aber nicht mit einem solchen Donnerschlag. Die Erinnerung an den Putschversuch ist in der Türkei nach wie vor präsent, im aktuellen Kommunalwahlkampf dient sie dazu, Emotionen zu wecken.

Es ist nicht der erste Besuch von Tsipras als Premier in der Türkei. Im November 2015 ging es um die Flüchtlingswelle, danach wurde 2016 das Abkommen mit der EU unterzeichnet. Seitdem kontrolliert die Türkei ihre Küsten deutlich intensiver, auf mehreren griechischen Inseln müssen aber immer noch Zehntausende Migranten in armseligen Lagern ausharren. 2017 war Erdoğan dann in Athen, es war der erste Besuch eines türkischen Präsidenten seit 65 Jahren. Das Verhältnis der beiden Nachbarn ist historisch durch Kriege und Krisen belastet, aber die Entspannung der vergangenen Jahre hat auch den Handel und den Tourismus gestärkt.

Am Dienstagabend erklärten Tsipras und Erdoğan bei einer gemeinsamen Pressekonferenz, sie wollten ihre Beziehungen verbessern.

Man müsse den "Teufelskreis der Krisen" durchbrechen, sagte Tsipras. Am Mittwoch will der griechische Premier zuerst die Hagia Sophia in Istanbul besichtigen - einst die wichtigste heilige Stätte der orthodoxen Christen, dann Moschee und heute Museum. Danach nimmt er ein Boot, um auf eine der Prinzeninseln im Marmarameer zu fahren, nach Chalki. Die Türken nenen die Insel Heybeliada. Dort befindet sich das seit 1971 geschlossene Priesterseminar der Orthodoxen. Um religiöse Erbauung geht es Tsipras an beiden Orten nicht. Die griechische Regierung wehrt sich gegen alle Versuche, die Hagia Sophia wieder zur Moschee zu machen, wie es von einigen türkischen Nationalisten und Islamisten verlangt wird. Und Athen fordert - im Einklang mit der EU - die Wiedereröffnung des Theologischen Seminars auf Chalki, als Zeichen der Religionsfreiheit. Als Ankara vor fast 50 Jahren die Schließung erzwang, herrschten turbulente Zeiten, damals gab es auch einen Militärputsch. Seither haben türkische Regierungen immer wieder Vorwände gefunden, um eine Wiedereröffnung der Schule zu verhindern. Griechenland wiederum drangsalierte lange seine muslimische Minderheit in Westthrakien, was auch nicht half, eine Lösung zu finden.

Auch andere heikle Themen reichen weit in die Historie zurück: Die Suche nach Bodenschätzen im Meer wird durch den Konflikt um das seit 1974 geteilte Zypern belastet. Alt ist auch der Streit um Hoheitsrechte in der Ägäis. 2002 vereinbarten Griechenland und die Türkei dazu "vertrauensbildende Gespräche", das letzte fand 2016 statt, vor dem Putschversuch. Tsipras wird vom griechischen Verteidigungsminister Evangelos Apostolakis begleitet, bis vor Kurzem noch Generalstabschef, wie einst sein türkischer Gegenpart Hulusi Akar.

Die beiden werden wohl auch über die türkischen Pläne für eine Sicherheitszone in Syrien sprechen. Eine neue türkische Einflusszone auf syrischem Gebiet wird von der Regierung in Damaskus abgelehnt. Die Türkei wiederum nennt das Regime von Baschar al-Assad "illegitim". Erdoğan aber überraschte nun in einem Interview mit der Aussage, Ankara pflege Kontakt "auf niedriger Ebene" zu Damaskus. Gemeint waren offenbar die Geheimdienste. Selbst zu Feinden könne man "das Seil" nicht völlig kappen, sagte Erdoğan. Es könne sein, dass man es eines Tages noch brauche.

© SZ vom 06.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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