Diplomatie:Russland will Nachkriegsordnung für Syrien festlegen

Moskau möchte bei den Gesprächen in Sotschi auch über die Rückkehr von Flüchtlingen verhandeln.

Von Moritz Baumstieger

Nachdem die Truppen des syrischen Machthabers Baschar al-Assad die von Aufständischen gehaltenen Gebiete im Süden des Landes fast vollständig zurückerobert haben, diskutieren die in dem Konflikt engagierten Mächte Russland, Iran und Türkei mögliche Ansätze für eine Nachkriegsordnung. Zur zehnten Runde der sogenannten Astana-Gespräche kamen am Montag die stellvertretenden Außenminister der drei Staaten mit Delegationen der syrischen Regierung und Vertretern der Opposition zusammen. Die Runde tagte nicht wie üblich in der kasachischen Hauptstadt, sondern in Russlands Schwarzmeerstadt Sotschi.

Auf der Tagesordnung der bis Dienstag angesetzten Gespräche stehen Verhandlungen zur Gründung eines Komitees, das eine neue Verfassung für Syrien ausformulieren oder die bestehende überarbeiten soll. Der UN-Sondergesandte Staffan de Mistura, der das für politische Fragen eigentlich vorgesehene Verhandlungsformat der Vereinten Nationen in Genf leitet, nahm an der Sitzung als Gast teil.

Nach Einschätzungen von Beobachtern dringt Russland auch gegenüber seinem Verbündeten Assad verstärkt auf zumindest symbolische Fortschritte in den Verhandlungen zur Beilegung des Konflikts. Ziel ist es, vor allem mit Europa über Hilfen zum Wiederaufbau des Bürgerkriegslandes sprechen zu können. Wie viele ihrer Partner vertritt auch die Bundesregierung die Haltung, dass solche Hilfen erst gewährt werden können, wenn ein politischer Übergangsprozess begonnen hat.

Nach russischen Angaben soll in Sotschi auch besprochen werden, wie Syrer, die vor dem Krieg geflohen sind, in das Land zurückkehren können. Über diese Frage hat nach Aussage von Reiner Haseloff, Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, zuvor auch die Bundeskanzlerin verhandelt, als sie Außenminister Sergej Lawrow vergangene Woche überraschend in Berlin empfing. Merkel habe "gerade mit den Russen" darüber gesprochen, "wie man das organisiert", zitiert die Mitteldeutsche Zeitung Haseloff in ihrer Montagsausgabe. Ein Sprecher des Auswärtigen Amts hatte hingegen zuletzt betont, dass für eine "großflächige freiwillige Rückkehr" die Bedingungen in Syrien nicht gegeben und Menschen dort weiter "einer extremen Verfolgung ausgesetzt" seien.

Ein weiteres Thema in Sotschi ist die Zukunft der Region um Idlib im Nordwesten Syriens. In das Gebiet sind Hunderttausende Gegner Assads geflohen, unter ihnen bewaffnete Kämpfer aus Rebellenenklaven, die im Gegenzug für ihre Kapitulation freien Abzug gewährt bekamen. Dass das Assad-Regime auch diesen Teil Syriens zurückerobern will, daran hat Damaskus nie Zweifel gelassen. Nachdem der Süden nun wieder unter Kontrolle der Armee steht, wird sich diese als Nächstes Idlib zuwenden. Beim Kampf um die letzte Hochburg der teils islamistischen Rebellen verfolgen die Teilnehmer in Sotschi höchst unterschiedliche Interessen: Iran und Russland unterstützen Assad, die Türkei ist Schutzmacht mehrerer Rebellengruppen im Norden.

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