Diplomatie:Ganz besondere Freunde

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Seine erste Auslandsreise führt Israels Außenminister Aschkenasi nach Deutschland. Dort betont er die "enge, spezielle Beziehung" zu Berlin. Doch nicht in allem ist er sich mit seinem Amtskollegen Maas einig.

Von Daniel Brössler, Berlin

„Das unvorstellbare Grauen der Schoah“: Heiko Maas (Mitte) und Gabi Aschkenasi (links) im Haus der Wannsee-Konferenz, wo Vertreter von Reichsregierung und SS 1942 die „Endlösung der Judenfrage“ organisierten. (Foto: Michele Tantussi/dpa)

Es könnte jetzt gleich weitergehen. Das Arbeitsfrühstück steht bereit, die Delegation auch. Heiko Maas will aber nicht gleich an den Konferenztisch. Das ginge nicht. Maas und sein Gast Gabi Aschkenasi machen lieber noch ein paar Schritte am Ufer des Wannsees, allein.

Eben sind der deutsche und der israelische Außenminister zusammen durch das Haus der Wannsee-Konferenz gegangen, haben sich den Ort angeschaut, an dem am 20. Januar 1942 führende Bürokraten des NS-Staates 90 Minuten brauchten, um die "Endlösung der Judenfrage" abzuhandeln. Mit dabei damals: Martin Luther, Unterstaatssekretär im Auswärtigen Amt. Die deutsche Diplomatie war tief verstrickt in den Massenmord.

An diesem Ort komme einem "der Schrecken der Bürokratie ganz besonders nahe", sagt Maas später nach dem Arbeitsfrühstück in der Liebermann-Villa, ein paar Hundert Meter vom Haus der Wannsee-Konferenz entfernt. Schonungslos zeigten sich "das unvorstellbare Grauen der Schoah und die kalte Berechnung der Nazis". Diesen Ort gemeinsam mit dem israelischen Außenminister zu besuchen, sei etwas "ganz Besonderes".

Aschkenasi, ein Mann des moderaten Bündnisses Blau-Weiß, ist erst seit dem Frühsommer im Amt. Der Besuch in Deutschland ist seine erste Auslandsreise überhaupt. Auch das, betont Maas, sei etwas "Besonderes". Aschkenasi dankt Maas für sein Bemühen, die Erinnerung an den Holocaust wachzuhalten und dessen Eintreten für "Zukunft und Sicherheit Israels". Auch für das Verhältnis zu Deutschland findet er warme Worte. "Uns verbindet eine enge, spezielle Beziehung", betont er. Mit Maas kommuniziere er fast wöchentlich. Schon als Maas im Juni zu seiner ersten außereuropäischen Reise seit Beginn der Corona-Pandemie nach Jerusalem gereist war, hatte Aschkenasi Deutschland "einen unserer engsten Freunde" genannt. Nun dankt er Maas für den "ehrlichen Austausch und offenen Dialog".

Tatsächlich nimmt Deutschland für Israel eine Sonderrolle ein. In Europa gehört es zwar nicht zu den Ländern, die sich mit Kritik etwa an der israelischen Siedlungspolitik besonders zurückhielten. Entstanden ist aber mittlerweile ein besonderes Vertrauensverhältnis, das Israel zu keinem anderen der großen europäischen Staaten unterhält. Das Verhältnis Israels zu etlichen EU-Staaten und zur EU insgesamt ist angespannt, was auch der tiefere Grund für die Einladung nach Berlin ist. Maas hat Aschkenasi zum Mittagessen mit den EU-Außenministern geladen, die sich am Donnerstag in Berlin zu einem informellen Treffen versammelt haben. Ein Gast wird traditionell eingeladen zu diesen Treffen, erstmals aber ist es ein Israeli.

"Die Beziehungen zwischen Israel und der Europäischen Union sind uns ein wichtiges Anliegen. Sie könnten besser sein und wir wollen, dass sie besser werden", sagt Maas. Deutschland wolle seine Ratspräsidentschaft dafür nutzen. Das sei nun einfacher geworden nach der Entscheidung der israelischen Regierung, ihre Pläne zur Annexion von Teilen des besetzten Westjordantals zu suspendieren.

Aschkenasi knüpft da an. "Es ist klar und greifbar, dass die israelische Regierung sich von Annexion zu Normalisierung bewegt hat. Das ist ein Anfang, das ist real, das ist konkret", sagt er. Für die Palästinenser bleibe die Tür geöffnet. Tatsächlich ist vermutlich selten ein diplomatischer Deal, den US-Präsident Donald Trump für sich reklamieren konnte, in Berlin mit so großer Erleichterung quittiert worden. Die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten und im Gegengeschäft die Suspendierung der Sanktionspläne befreite die Bundesregierung fürs Erste aus einer Zwickmühle. Die Annexion hätte in der EU zu Rufen nach einer harten Bestrafung Israels geführt, aber auch zu schweren Konflikten. Während etwa Frankreich und die skandinavischen Länder traditionell kritisch gegenüber Israel auftreten, hat das Land auch treue Unterstützer wie Tschechien und Österreich. In seiner Ratspräsidentschaft wäre Deutschland zwischen die Fronten geraten. Als "wichtigen Schritt auf dem Weg zu einer Normalisierung zwischen der arabischen Welt und Israel" lobt Maas den neuen diplomatischen Draht zwischen Israel und den Emiraten. Beim Mittagessen werden das auch die anderen EU-Kollegen so sehen.

Unverändert aber sind die Meinungsverschiedenheiten beim Thema Iran. Israel unterstützt die recht erfolgreichen Bemühungen des US-Präsidenten, das Atomabkommen zu zerstören. Deutschland versucht, diesen Deal immer noch zu retten. Man sei aber "nicht naiv", was Iran angehe, versichert Maas, und setzt sich für eine Verlängerung des Waffenembargos ein. "Wir teilen die Sorge vor einer nuklearen Bewaffnung Irans", formuliert Aschkenasi diplomatisch. Nur wünsche man sich da mehr Unterstützung der Europäer.

© SZ vom 28.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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