Diplomatie:Auf einmal doch dabei

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Rohre für die Ostsee-Erdgaspipeline Nord Stream: Die russisch-deutsche Zusammenarbeit stört viele Osteuropäer. (Foto: Jens Büttner/dpa)

Deutschland will überraschend der Drei-Meere-Initiative zwölf osteuropäischer EU-Staaten beitreten, obwohl Berlin der Gruppe bislang stets skeptisch gegenüberstand. Vor allem Polen ist von dem Anliegen nicht begeistert.

Von Daniel Brössler, Bukarest

Bisher ist es nett gewesen. Als Gastgeber hat der rumänische Präsident Klaus Johannis den deutschen Außenminister Heiko Maas willkommen geheißen. Auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat sich "froh" gezeigt, dass Deutschland mit von der Partie ist. Die kroatische Präsidentin Kolinda Grabar-Kitarović hat ebenfalls freundliche Worte gefunden. Heikler wird es für Maas, als der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki im Bukarester Cotroceni-Palast das Wort ergreift. Er hat sich vielleicht nicht direkt in die Höhle des Löwen begeben, aber in so etwas ähnliches: Zum ersten Mal nimmt Deutschland an einem Gipfel der Drei-Meere-Initiative teil. Es gehe darum, "künstliche Spaltungen" zu überwinden, versichert Johannis gleich zu Beginn. Das hat seinen Grund. In Berlin, aber auch in Brüssel war die Initiative bislang als das Gegenteil empfunden worden - als spalterisch.

Ins Leben gerufen wurde die Initiative vor drei Jahren von Polen und Kroatien als Zusammenschluss von zwölf EU-Staaten zwischen Adria, Ostsee und Schwarzem Meer. Einmal im Jahr kommen die Präsi-denten dieser Länder zu Gipfeltreffen zu-sammen, vergangenes Jahr wurden sie dabei in Warschau von US-Präsident Donald Trump beehrt. In Deutschland verstärkte dies das Misstrauen und die Befürchtung, dass es um eine Art Groß-Visegrád geht, also eine Verbreiterung der Gruppe aus Polen, Tschechien, der Slowakei und Ungarn, die innerhalb der EU Front macht gegen liberale Politik, nicht nur in der Flüchtlingsfrage. Polens regierende Nationalisten verbanden mit der Initiative zumindest anfangs auch die Hoffnung, die eigene Rolle in der Region zu stärken. Sie knüpften dabei an eine alte Idee an: die des "Zwischenmeers" als polnische Einflusszone von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer.

Vom Polen Morawiecki bekommt Maas denn auch keine freundliche Begrüßung zu hören, sondern eine Ermahnung. "Die Stärkung von Gazprom und die Errichtung der neuen Pipeline Nord Stream 2 ist nicht hilfreich - um es vorsichtig zu sagen", beklagt Morawiecki. Es sind Worte, mit denen Maas gerechnet hat. Später wird er betonen, Nord Stream 2 sei ein "wirtschaftliches Projekt" mit Investoren nicht nur aus Russland und Deutschland, sondern auch aus Österreich, Frankreich, Großbritannien und den Niederlanden. Die Rolle der Ukraine als Transitland für Gas wolle auch Deutschland erhalten. Maas ist nach Bukarest gekommen, um eine Botschaft loszuwerden: Er will es als "wichtiges Signal" verstanden wissen, dass "Deutschland nicht nur nach Westen schaut".

Tatsächlich ist die Teilnahme von Maas am Bukarester Gipfel Teil eines größeren Kräftemessens, in dem es auch im die Rolle Deutschlands geht. Etliche Länder in der Region sehen eine gegen Berlin gerichtete Politik ebenso skeptisch wie einen polnischen Führungsanspruch. Sie haben darauf gedrungen, die Initiative eher praktisch auszurichten und sich um eine Verbesserung der gemeinsamen Infrastruktur zu kümmern. Als Gastgeber des diesjährigen Gipfels überraschte der rumänische Präsident Klaus Johannis dann im April Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit einer Einladung - zwar nicht als Mitglied, aber als spezieller Gast. Steinmeier ist wegen eines Finnland-Besuchs verhindert, eine höfliche Absage wäre also kein Problem gewesen. Dass nun aber vertretungsweise Maas nach Bukarest gekommen ist, will dieser durchaus als Richtungsentscheidung verstanden wissen. "Das ist das, was wir eine neue Ostpolitik nennen", sagt er.

Gemeint ist eine Politik, die den Abbau des Rechtsstaats in Polen und die autoritäre Entwicklung Ungarns zwar kritisiert, aber den Vorwurf des Desinteresses an den östlichen Nachbarn entkräften soll. Auch Maas' Schwenk hin zu schärferen Tönen gegenüber Russland gehört in dieses Bild. "Deutschland passt hier in jeder Hinsicht herein, geografisch, historisch, politisch, wirtschaftlich", mit diesen Worten begehrt Maas in Bukarest Aufnahme in die Drei-Meeres-Gruppe. "Wir sind ein Ostsee-Anrainer, der die Geschichte sowohl West- als auch Osteuropas teilt", sagt er. Fünf der 16 Länder hätten zum östlichen Block gehört. Die Deutschen wüssten daher um die Herausforderung der Transformation. Nach dem Willen von Präsident Johannis sollen die Deutschen künftig immer dabei sein bei den Drei-Meeres-Gipfeln. Dem müssten allerdings alle zustimmen - auch Polen.

© SZ vom 19.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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