Dieselgipfel:In Schlangenlinien zum Klimaschutz-Ziel

Lesezeit: 3 min

  • Die Chefs der Autokonzerne sind heute zum Diesel-Gipfel im Kanzleramt.
  • Bis zum Mittwoch will die Bundesregierung eine Einigung über bessere Luft in den Städten und mehr Klimaschutz bei Autos erreichen.
  • Über die Lösungsansätze sind sich die Politiker noch uneins - Gewerkschafter warnen bereits vor massiven Jobverlusten bei zu ehrgeizigen Zielen.

Von Markus Balser und Stefan Mayr

Das Kanzleramt zu erreichen, ist an diesem Sonntag schon die erste Prüfung für die Chefs der großen deutschen Autokonzerne. Weil am 3. Oktober ein großes Bürgerfest im Regierungsviertel geplant ist, werden überall Zelte und Bühnen aufgebaut, sind Straßen gesperrt. Die Limousinen von Gipfelteilnehmern wie VW-Chef Herbert Diess, BMW-Chef Harald Krüger und Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) rollen am frühen Abend vorbei am Slogan des Kanzleramts für das Volksfest: "Einheit erfahren".

Politik und Autobranche verhandeln in diesen Tagen hart über eine Lösung im völlig verfahrenen Dieselstreit. Die Bundesregierung will noch im September eine Einigung über die beiden entscheidenden Probleme der Verkehrspolitik - bessere Luft in den Städten und mehr Klimaschutz bei Autos - erreichen. Noch aber herrscht Streit. Noch ist nicht klar, ob das Land wirklich Einheit erfährt. Denn die Autohersteller lenken trotz des wachsenden Drucks der Politik nicht ein. Am Abend machte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei dem Krisengipfel nach Angaben aus Teilnehmerkreisen klar, dass sie eine Nachrüstlösung für einen Teil der bestehenden Diesel-Flotte befürwortet. Damit stellt sie sich gegen die Bedenken von Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), der sie für zu teuer und rechtlich fragwürdig hält, und auf die Seite von Umweltministerin Svenja Schulze (SPD), die so die Luft in 65 deutschen Problemstädten mit zu hohen Stickoxid-Belastungen verbessern will. Scheuer befürwortet dagegen Kaufprämien, die Fahrer älterer Dieselautos der Klassen Euro 5 und niedriger zum Umstieg auf neuere, schadstoffärmere Modelle bewegen soll. Ein Durchbruch ist auch nach dem Gipfel noch nicht in Sicht. "Es wird in dieser Woche weitere Gespräche innerhalb der Bundesregierung geben, ebenso seitens des Verkehrsministeriums mit den Herstellern", sagte Scheuer nach dem Treffen. Die Hersteller wollten nun Lösungen ausloten, kündigte auch der Präsident des Verbands der Automobilindustrie (VDA), Bernhard Mattes, am Abend an. Gegenwind weht für die Manager vor allem, seit in Frankfurt nun auch Fahrverbote drohen. Ausgerechnet in der deutschen Pendlermetropole mit dem höchsten Dieselanteil forderten Richter kürzlich Stillstand für ältere Autos. Immer mehr der 15 Millionen deutschen Dieselfahrer fragen sich seither, wie lange sie noch ungehindert in Großstädte fahren können.

Abgas-Affäre
:Porsche steigt aus Diesel-Produktion aus

Als erster deutscher Autobauer verabschiedet sich Porsche vom Diesel. Bei einem Treffen der Kanzlerin mit Chefs deutscher Autokonzerne könnte heute eine Entscheidung über Hardware-Nachrüstungen fallen.

Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier könnte die Wut als Erster zu spüren bekommen. Ende Oktober wird in dem Bundesland ein neuer Landtag gewählt, die schwarz-grüne Mehrheit wackelt. Um seine Koalition in Wiesbaden zu retten, forderte er als einer der ersten Unionspolitiker Nachrüstungen auf Kosten der Industrie. In der Autobranche wächst nun die Angst, dass sich da etwas zusammenbraut: eine ähnliche Wende wie nach Fukushima in der Energiepolitik. 2011 hatte Merkel nach der Atomkatastrophe und kurz vor den Landtagswahlen in Baden-Württemberg den Atomausstieg verkündet, den sie zuvor verhindern wollte. Nun wackelt auch die Linie der Bundesregierung, der Autobranche und dem Image des bisherigen Verkaufsschlagers Diesel nicht zu viel zumuten zu wollen. Regierungsmitglieder fragen sich in diesen Tagen offen, warum man schützen soll, was auch Teile der Branche längst beerdigen.

"Von Porsche wird es künftig keinen Diesel mehr geben"

So hatte Porsche für den Gipfel am Sonntag eine klare Botschaft. Als erster deutscher Autobauer kündigte das Unternehmen an, aus dem Diesel auszusteigen. "Von Porsche wird es künftig keinen Diesel mehr geben", sagte Vorstandschef Oliver Blume der Bild am Sonntag. Zwar hat Porsche schon seit Februar 2018 keine Dieselfahrzeuge mehr verkauft. Doch das Management ließ bis zuletzt offen, ob es wieder Selbstzünder anbieten wird. Nun zieht der Konzern die Reißleine. "Die Dieselkrise hat uns viel Ärger bereitet", sagt Porsche-Chef Blume, "das Image hat gelitten."

Allerdings war der Diesel für Porsche auch weniger wichtig als für andere Hersteller. Das Unternehmen selbst konstruiert die Motoren ohnehin nicht. Erst mit dem Einstieg ins Geländewagen-Geschäft bauten die Stuttgarter dort Motoren ein, die das Schwesterunternehmen Audi herstellte. Dadurch wurde Porsche in die Dieselaffäre um manipulierte Abgaswerte hineingezogen. Das Kraftfahrtbundesamt ordnete Rückrufe an, und die Staatsanwaltschaft ermittelt. Ob das Porsche-Management von den Abschalteinrichtungen in den Motoren wusste, ist unklar. Allein ist Porsche mit der Abkehr vom Diesel nicht. Auch die Hersteller Volvo und Toyota haben bereits den Ausstieg verkündet. Andere wie Daimler halten an der Technik fest. Sie beteuern, dass die neue Motorengeneration beim Stickoxidausstoß deutlich verbessert sei und die gesetzlichen Grenzwerte deutlich unterschreite.

Gewerkschaften haben die Brisanz der Lage längst erkannt. An diesem Montag reisen nun auch Betriebsräte und die IG-Metall-Spitze nach Berlin. Dort wollen sie mit Finanzminister Olaf Scholz, Umweltministerin Svenja Schulze und Arbeitsminister Hubertus Heil über geplante Klimaschutzvorgaben für die Branche sprechen. Ihr Ziel: die SPD-Minister wenigstens von sehr ehrgeizigen Regeln abzubringen. Ihre Warnung: ein massiver Jobverlust unter den 800 000 Beschäftigten der Branche. Schulze würde der Branche gerne vorschreiben, den Ausstoß des Treibhausgases bis 2030 um die Hälfte zu senken. Viel mehr als jene 30 Prozent, die die EU-Kommission für machbar hält.

Hinter den Kulissen ist nun von einem möglichen Deal die Rede. Kommen die Autobauer der Politik bei der Nachrüstung entgegen, könnte die bei den CO₂-Zielen gnädig sein. Hilft die Branche der Politik beim Diesel nicht, könnte die umgekehrt die Hilfe in Brüssel einstellen. Denn die deutsche Position gilt dort als Zünglein an der Waage. Experten warnen bereits vor einem schmutzigen Geschäft. Eine Prämie für den Umtausch alter Dieselautos in Neuwagen hätte jedenfalls nach Ansicht des Umweltbundesamtes kaum positive Auswirkungen auf die Schadstoffbelastung in Großstädten. Der Effekt liege gerade mal bei einem Prozent.

© SZ vom 24.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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