Bei der Entwendung des Dienstwagens von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) im Spanien-Urlaub ist der Fahrer offensichtlich von den Dieben betäubt worden. "Bisherige Erkenntnisse deuten darauf hin, dass die Täter ein Türgitter aufgehebelt und den Fahrer betäubt haben und dann der Fahrzeugschlüssel und persönliche Gegenstände aus dem Zimmer entwendet wurden", heißt es in dem Schreiben von Gesundheitsstaatssekretär Klaus Theo Schröder an den Vorsitzenden des Haushaltsausschusses Otto Fricke (FDP).
Der inzwischen wieder aufgefundene Wagen ist nach Worten einer Ministeriumssprecherin anscheinend unbeschädigt. Für Ulla Schmidt dürfte die Nachricht ein eher schwacher Trost sein: Sie sieht sich mitten im Wahlkampf wegen der Nutzung ihres Dienstwagens im Spanien-Urlaub mit Rücktrittsforderungen konfrontiert. Der FDP-Bundestagsabgeordnete und Finanzexperte Frank Schäffler sagte der Bild-Zeitung: "Was Frau Schmidt gemacht hat, ist eine Sauerei." Die Ministerin habe sich dem Steuerzahler gegenüber "alles andere als fair verhalten und sollte deshalb zurücktreten".
Lob erhält die Gesundheitsministerin jedoch von den Korruptionswächtern von Transparency International. Die Nutzung des Dienstautos sei kein besonders großes Problem, sagte Vorstandsmitglied Anke Martiny der Nachrichtenagentur dpa. "Man sollte sich um die wichtigen Sachen kümmern", sagte Martiny. "Aus der Aufdeckung von Interessenkonflikten ist viel mehr Honig zu saugen." Sie lobte Schmidt für deren Einsatz gegen Geldverschwendung.
So gebe es im Gesundheitswesen massive Lobbyarbeit zugunsten der Pharmaindustrie und Ärzten, sagte Martiny. Schmidt habe sich wiederholt dagegen eingesetzt. "Als nun bekannt wurde, dass etliche Milliarden Euro neu in die Ärztevergütung fließen, hätte es sich eigentlich gehört zu sagen: Das hat sie gut gemacht, die Frau Schmidt", sagte Martiny.
Während Mediziner gegen die Honorarregeln mit Praxisschließungen und Vorkasse protestiert hatten, habe Schmidt die Mediziner nämlich richtigerweise zum Proteststopp gedrängt. Im Fall Schmidt gelte: "Wenn man mächtige Feinde hat, wird aufgegriffen, was geht." Martiny vertrat die Ansicht, dass bei Frauen andere "Muster der Skandalisierung" griffen als bei Männern. Sie glaubt: "Den Frauen wird übler mitgespielt als den Männern."
Der SPD-Haushaltsexperte Carsten Schneider nannte die aktuelle Diskussion um Schmidt "nicht glücklich". Am Ende werde die Entscheidung der Bürger bei der Bundestagswahl aber wohl nicht von einem gestohlenen Auto bestimmt, sondern von Sachfragen, mutmaßte er am Morgen im ZDF.
Auf die Frage nach Konsequenzen etwa für das Wahlkampfteam und die Besetzung künftiger Ministerposten erklärte Schneider, zwar kenne er die genaue Zusammensetzung nicht, es sei aber im Wesentlichen das alte Kabinett. "Die Minister haben gute Arbeit gemacht; Ulla Schmidt im Übrigen auch".
Angesichts der öffentlichen Diskussion der letzten Tage dringen Politiker von Union und Grünen indes auf eine rasche Änderung der Dienstfahrzeug-Richtlinie. In der Bild forderte der Vorsitzende der CDU-Mittelstandsvereinigung (MIT), Josef Schlarmann: "Minister und Staatssekretäre sollten bei Privatfahrten künftig das kostenmäßig ermittelte Entgelt selbst entrichten". Er sei dafür, die Richtlinie in diesem Sinne rasch zu ändern.
Der Grünen-Bundestagsabgeordnete und Haushaltsexperte Omid Nouripour sprach sich ebenfalls für eine Änderung aus: "Minister müssen private Fahrten künftig selbstverständlich selbst bezahlen."
"Noch viele Fragen unbeantwortet"
Der Bund der Steuerzahler wirft Schmidt indes eine mangelhafte Aufklärung der Vorgänge und eine Verschleierungstaktik vor. Der Hauptgeschäftsführer der Organisation, Reiner Holznagel, sagte der Passauer Neuen Presse: "Die Ministerin klärt auch nur Stück für Stück auf und der Fall wird immer verworrener. Es sind noch viele Fragen unbeantwortet."
Holznagel warf der Ministerin erneut Verschwendung vor. "Vor dem Hintergrund, dass die Bundesregierung die höchsten Schulden in der Geschichte der Republik aufnehmen muss, wäre ein wenig Sparsamkeit der Minister ratsam. Frau Schmidt hätte hier ein gutes Vorbild sein können." Die Nutzung des Wagens sei "unverhältnismäßig" gewesen. Holznagel forderte eine Änderung der entsprechenden Vorschriften und eine eindeutigere Formulierung der Richtlinien.
Die Nutzung des Dienstwagens am Urlaubsort im spanischen Denia nahe Alicante war bekanntgeworden, nachdem er von Unbekannten gestohlen wurde. Ministerin Schmidt wies daraufhin den Vorwurf zurück, sie habe sich unkorrekt verhalten. Die Benutzung des Wagens entspreche der Rechtslage und den Richtlinien. Sie erklärte, sie nehme im Urlaub auch dienstliche Termine wahr. Private Fahrten mit dem Wagen würden abgerechnet.