Die Junge Welt und die Linkspartei:Danke für die Todeszone

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Die Tageszeitung "Junge Welt" bedankt sich auf der Titelseite für den Mauerbau und "28 Jahre Club Cola und FKK". Wegen der Nähe des ehemaligen FDJ-Blatts zur Linkspartei gibt es nun politischen Ärger.

Daniel Brössler

Der Weg von der Jungen Welt zur Linkspartei ist kurz. Von der Parteizentrale im Karl-Liebknecht-Haus zur Redaktion des einstigen FDJ-Blattes in der Nähe des Berliner Alexanderplatzes ist es nur ein Katzensprung.

Das Foto eines russischen Soldaten, der in den ehemals amerikanischen Sektor schaut. Die Leuchtkasten-Installation des Künstlers Frank Thiel steht am Checkpoint Charlie in der Friedrichstraße in Berlin. (Foto: dapd)

Im Internet genügt sogar ein Klick. Wer am Donnerstag die Zeitung im Internet aufsuchte, landete unweigerlich bei Parteichef Klaus Ernst. "Hier spricht die Opposition" verheißt die Dauer-Anzeige, die Nutzer der Jungen Welt auf die Seite der Linksfraktion lockt. Damit soll nach dem Willen von Fraktionschef Gregor Gysi aber Schluss sein. "Diese Anzeigenschaltung wird die letzte sein", kündigte er am Donnerstag an.

Genervt ist Gysi wegen eines Titelblattes der gedruckten Ausgabe, das der Jungen Welt am vergangenen Wochenende Aufmerksamkeit weit über die radikal linke Stammleserschaft hinaus bescherte. "Wir sagen an dieser Stelle einfach mal: Danke", stand da, illustriert mit der Aufnahme einer bewaffneten DDR-Betriebskampfgruppe am Brandenburger Tor. "Danke" sagte die Zeitung für 28 Jahre "Friedenssicherung in Europa", "Clubcola und FKK" sowie "ohne Praxisgebühr und Zweiklassen-Medizin". 13 angebliche Segnungen des Mauerbaus zählte das Blatt auf - und empörte so auch Linke.

Die Titelseite habe viele "verärgert und verschreckt", beklagte Ko-Parteichefin Gesine Lötzsch. Die Linkspartei habe aber keinerlei Einfluss auf die Zeitung, es gebe da keine Verbindung.

Das sehen viele Mitglieder der Partei anders. In einem Aufruf fordern sie: "Keine Kooperation mit der Jungen Welt!" Die Linke annonciere in der Zeitung und lasse Verteil-Aktionen auf ihren Parteitagen zu. "Funktions- und mandatstragende Mitglieder haben Einlagen in der JW-Genossenschaft gezeichnet, Mitglieder der Bundestagsfraktion schreiben für die JW", beklagen die mehr als 300 Unterzeichner, unter ihnen der Berliner Landesvorsitzende Klaus Lederer und Bundesschatzmeister Raju Sharma.

Der linke Flügel sieht in der Zeitung ein Sprachrohr

Zu den Unterzeichnern gehören mehrere Mitglieder der Bundestagsfraktion, doch dort scheiden sich an der Jungen Welt die Geister: Im Fraktionsvorstand gab es in den vergangenen Monaten zwei erfolglose Vorstöße, die Finanzierung via Anzeigen zu kappen. Die innenpolitische Sprecherin der Fraktion, Ulla Jelpke, ist Autorin des Blattes und war von 2003 bis 2005 dort Ressortleiterin für Innenpolitik. Ihre persönliche Webseite enthält immer noch einen Link zur Jungen Welt. Sie selbst ist im Urlaub, wie ihr Wahlkreisbüro mitteilte.

Der Boykottaufruf gegen die Junge Welt zeige "eine politische Haltung, die nicht auf Diskurs und Auseinandersetzung, sondern auf Ausgrenzung" setze, beklagt die "Antikapitalistische Linke" innerhalb der Partei. "Wir sehen in ihm ein fragwürdiges Verständnis von Demokratie und einen Angriff auf die Pressefreiheit", verkündete sie.

Nach wie vor sieht der linke Flügel der Partei in dem ehemaligen FDJ-Blatt ein wichtiges Sprachrohr. Die Zeitung hat in der Vergangenheit immer wieder eine Rolle gespielt in innerparteilichen Auseinandersetzungen - und zum Beispiel den langjährigen Geschäftsführer Dietmar Bartsch vom Reformerlager vor dessen Entmachtung durch Gregor Gysi besonders scharf angegriffen. Heftig attackierte das Blatt Politiker der Partei, die für eine moderate Linie gegenüber Israel eintreten. In diesem Zusammenhang beschrieb sie Israel als "zionistische Herrenvolk-Demokratie". Furore machte die Zeitung zudem dank der "Wege zum Kommunismus", die Parteichefin Lötzsch kryptisch in einem Aufsatz für die Junge Welt Anfang des Jahres gesucht hatte.

Der stellvertretende Chefredakteur Rüdiger Göbel räumt ein, dass seine Zeitung "im Umfeld der Linkspartei mitunter als Parteiflügelzeitung bezeichnet" werde. Das aber sei "einigermaßen hanebüchen". Die Junge Welt habe eine politische Linie, die sich lediglich manchmal mit jener der Linkspartei decke. Es gebe keine personelle Verflechtung, auch Ex-Redakteurin Jelpke sei nur eine Autorin von vielen. Eine Abhängigkeit von der Linkspartei und den Anzeigen der Linksfraktion gebe es nicht, versichert Göbel. Ohnehin finanziere Werbung nicht einmal eine einzige Redakteursstelle der Zeitung, die eine Auflage von 17.000 Exemplaren meldet und nach eigenen Angaben 50.000 Leser erreicht.

"Ich würde die Ausgabe heute noch mal machen."

Mit denen glaubt Göbel sich im Einklang. Die Mauer-Ausgabe sei vergriffen, berichtet er. Die Resonanz sei "überwältigend und überwiegend positiv". Gegangen sei es um eine "Provokation angesichts dieser Geschichtsklitterung, die an diesem Tag auch betrieben wurde". Und Göbel sagt: "Ich würde die Ausgabe heute nach den Reaktionen wieder so machen."

© SZ vom 19.08.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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