Die Grünen vor der Neuwahl in Nordrhein-Westfalen:Jetzt wird zurückgebloggt

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Lange Zeit hatten die Grünen keine Strategie, wie sie am besten mit den erstarkenden Piraten umgehen sollen, mittlerweile aber scheinen sie Mittel und Wege gefunden zu haben. Sie attackieren die Piraten mit deren eigenen Waffen.

Bernd Dörries, Düsseldorf

Sie tun jetzt noch mal so, als wären sie keine der etablierten Parteien, als hätten sie gerade erst angefangen, hier in einem Düsseldorfer Hinterhof. Dort haben die Grünen ein kleines Büro gemietet und recht jugendlich gestaltet, grünes Neonlicht und an die Wand geworfene Parteilogos. "Drei Tage wach" heißt die Aktion, mit der die Grünen seit Donnerstagabend die letzte Phase des Wahlkampfs bestreiten.

Im Wahlkampf bekam Grünen-Spitzenkandidatin Sylvia Löhrmann Unterstützung von Fraktionschef Jürgen Trittin. (Foto: dpa)

Man kann das lustig finden, oder ein bisschen verzweifelt. Die Grünen haben in den Umfragen kontinuierlich abgebaut in den vergangenen Monaten und sich sehr schwergetan, auf die Herausforderung durch die Piraten zu reagieren. Jetzt wird erst einmal zurückgebloggt.

Hinter den Computern an einem langen Tisch sitzen junge und mittelalte Menschen in grünen T-Shirts, die Fragen der sogenannten User zur Partei und deren Anliegen beantworten, drei Tage und Nächte lang. Und es gibt wirklich Menschen, die um 4.19 Uhr nachts dringend wissen wollen, was die Partei gegen die "Vermaisung" der Landschaft tun will. Natürlich haben die Grünen dazu einen Plan, so wie sie auch wissen, was zu tun ist in Afghanistan und bei der Frage nach einem neuen Urheberrecht. Die Aktion läuft nicht schlecht für die Partei, in den ersten zwölf Stunden wurden etwa 600 Fragen gestellt und beantwortet. Nur eine war nicht dabei: Warum läuft es eigentlich so zäh für die Partei?

Die Grünen haben in den zwei Jahren der Minderheitsregierung eine gute Politik gemacht, sie haben maßgeblich dazu beigetragen, dass in Nordrhein-Westfalen nach Jahrzehnten des Zoffs endlich ein recht großer Konsens darüber besteht zwischen fast allen Parteien, wie das Schulsystem des Landes aussehen soll, mit längerem gemeinsamen Lernen.

Die Grünen haben mit der SPD die Studiengebühren abgeschafft, den Nichtraucherschutz verstärkt und im Kohleland die regenerativen Energien gestärkt. Ihre drei Minister haben fleißig und professionell gearbeitet, auf der grünen Seite des Kabinetts gab es anders als bei den Sozialdemokraten keine einzige Panne. Dennoch ist die Partei in den Umfragen von um die 20 Prozent vor einem Jahr auf elf bis 13 Prozent abgerutscht.

Von den Piraten verunsichert

Am stärksten zeigt sich die Verunsicherung der Grünen im Umgang mit den Piraten. Am Mittwoch sollte die Spitzenkandidatin Sylvia Löhrmann mit Joachim Paul, dem Frontmann der Piraten, im Radio diskutieren. Nachmittags wurde Löhrmann noch im Fußgängerzonenwahlkampf gesichtet, zum Interview wenige Stunden später meldete sie sich krank. Mag sein, dass dem so war, aber auffällig war das schon: die ständigen Absagen und Terminprobleme, wenn es um Diskussionen mit den Piraten ging. I

hre Vertretung, der Landesvorsitzende Sven Lehmann, diskutierte dann so brav und höflich mit Paul, dass man dachte, die beiden Parteien würden nun fusionieren. Hoffnung machte den Grünen zuletzt, dass der Abwärtstrend offenbar gestoppt werden konnte. Wenige Tage vor der Wahl sieht es so aus, als würde es reichen zu einer Mehrheit für Rot-Grün; eine andere Option haben die Grünen nicht, eine Koalition mit SPD und FDP schloss Spitzenkandidatin Löhrmann aus. Die ist mittlerweile wieder gesundet und sehr aktiv im Schlussspurt. Wenn es doch nicht reichen sollte, können die Grünen sich keinen Vorwurf machen.

© SZ vom 12.05.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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