Die FDP und die grüne Konkurrenz:Das süße Versprechen der Freiheit

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Die Liberalen bei drei Prozent, die Grünen 28 Prozent. Wo gibt es denn so was? Einst war die FDP die Partei der Freiheit. Aber Freiheit à la Freidemokraten ist zur leeren Hülle verkommen. Ausgerechnet den Grünen ist es gelungen, diese Leere zu füllen. Sonderbar.

Alexandra Borchardt

Die FDP versteht die Welt nicht mehr. Sie trägt das süße Versprechen der Freiheit in ihrem Namen, sie hat es zu ihrem Programm gemacht. Doch statt danach zu greifen, laufen die Wähler scharenweise zu den Grünen, deren Kerngeschäft nach Lesart der Liberalen das Entwickeln von Vorschriften zu sein scheint. Nach einer am Mittwoch veröffentlichten Umfrage würden 28 Prozent der Bürger die Grünen wählen, nun noch drei Prozent die FDP. Und wahr ist: Die FDP versteht die Welt wirklich nicht mehr. Freiheit à la Freie Demokraten, das ist derzeit nichts als eine leere Hülle, und die Menschen spüren das. Es muss der Partei wehtun, dass es ausgerechnet den Grünen gelungen ist, diese Hülle auf eigene Weise zu füllen.

Die Deutschen haben zur Freiheit ein schwieriges Verhältnis. Sie atmen sie nicht wie die Amerikaner, die Washington verachten und auf ihr Recht auf Selbstverteidigung pochen. Sie spüren sie nicht wie gerade die Menschen im Nahen Osten, die aus Diktaturen erwachen. Und sie erleben sie nicht wie jene junge Mittelschicht in den Wachstumsländern, die sich erstmals aus eigener Kraft ein wenig Wohlstand erarbeiten kann.

Die FDP verfolgt den falschen Feind

Den Deutschen ist die Freiheit selbstverständlich geworden, einerseits. Das Recht zu wählen, zu reisen, sich seinen Beruf und seine Wohnung selbst zu suchen - wer weiß das schon noch zu schätzen? Und so landen der sichere Job, das feste Einkommen regelmäßig vor der Freiheit, wenn Meinungsforscher Prioritäten abfragen. Andererseits kann Freiheit auch Angst machen. Es ist die Angst, dass einen niemanden hält, dass der Schritt ins Ungewisse in die Leere geht, dass der fallende Zaun auch den Schutz vor den Einblicken Fremder niederreißt. In Deutschland überwiegt beim Gedanken an Freiheit die Angst.

Für die FDP ist das eine schlechte Nachricht. Denn die FDP hat kein Rezept dafür, den Menschen diese Ängste zu nehmen. Ein Grund ist: Sie verfolgt den falschen Feind. In liberaler Tradition ist der wichtigste Gegner der FDP der überbordende Staat. Die Freien Demokraten vertrauen auf die "Weisheit der Vielen", wie es Generalsekretär Christian Lindner jüngst formulierte. Viele Individuen mit ihrem Streben nach Fortkommen und Schutz ihres Eigentums entscheiden in der Summe intelligenter als die große Verteilmaschine Bürokratie, so die Theorie. Für die Liberalen ist der Staat deshalb idealerweise nicht viel mehr als ein Katastrophenschützer.

Also machen sie sich für Datenschutz stark und deshalb wollen sie Steuern und Abgaben möglichst niedrig halten. Jeder soll frei darüber entscheiden können, wofür er sein Geld ausgibt.

Was die Grünen verstanden haben

In der globalisierten Welt allerdings ist der Staat für viele Menschen nicht mehr Feind, sondern Verbündeter. Er soll für sie gegen ganz andere, als ungleich bedrohlicher empfundene Gegner kämpfen: ungezügelte Finanzinteressen, dezentral organisierte Terrorkommandos, datensammelnde Technologiekonzerne, Wohlstandskonsumenten, die natürliche Ressourcen unbesehen aufzehren. Er soll die Lebensqualität seiner Bürger schützen und für Gerechtigkeit sorgen.

Die Grünen haben das verstanden. Sie bieten zwar nicht immer Lösungen, aber anders als die Liberalen holen sie die Menschen bei ihren Ängsten ab. Die Angst vor Umweltzerstörung, der Atomkraft, Großprojekten und Technologien, deren Folgen unkalkulierbar sind, haben der Öko-Partei schon immer Zulauf gebracht, insbesondere auch von jenen Menschen, die viel zu verlieren haben, also dem liberalen Bürgertum. Und gerade in dieser Gruppe wächst die Zahl jener, die Angst haben, Verlierer zu werden, den Statuserhalt oder gar Aufstieg aus eigener Kraft nicht mehr zu schaffen. Für die Anhänger der Grünen ist der Staat der gute Hirte der Freiheit - auch und gerade der Freiheit künftiger Generationen.

Hinter dieser Perspektive verbirgt sich ein weiterer Vorteil der Grünen im Rennen gegen die FDP: Die Öko-Partei bietet den Menschen ein Bild von der Zukunft, man kann es Vision nennen. Sie verspricht eine saubere und gerechtere Welt der Toleranz und Vielfalt. Eine solche Welt böte vielen Grünen-Wählern das höchste Maß an Freiheit, auch im ideellen Sinne: Es wäre eine Art Befreiung von der eigenen Schuld, als Gutverdiener in einer reichen Gesellschaft auf Kosten anderer zu leben. Bei Licht betrachtet ist das Versprechen der Grünen zwar eine Art gelobtes Land, wie es vielleicht nicht einmal durch ein Jammertal der Einschränkungen zu erreichen wäre. Aber gegen diese Idee wirkt das Mantra der Liberalen, "Steuern senken für mehr Konsum jetzt", wie ein Konzept von gestern.

Die Grünen werden daran gemessen werden, wie tragfähig ihr Modell des nachhaltigen Wachstums ist und welche Lebensqualität es den Vielen ermöglicht. Sie müssen in die Verantwortung und dort Erfolge präsentieren. Will die FDP mehr Wähler begeistern, braucht sie ein Konzept für morgen. Will sie ein einiges Europa, oder sollen die Länder im Wettbewerb erstarken? Strebt sie die Bildungsrepublik Deutschland an oder die Begabtenrepublik Deutschland? Schützt sie die Konzerne vor den Bürgern oder Bürger vor den Konzernen? Nach dem am Dienstag vereinbarten Führungswechsel können die Freien Demokraten den Exodus ihrer Anhängerschaft nicht länger auf den ungeliebten Parteivorsitzenden Guido Westerwelle schieben. Jetzt müssen sie das süße Versprechen der Freiheit mit Inhalten füllen.

© SZ vom 07.04.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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