Deutschland:Personalmangel in der Lebensmittelbranche

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Um Engpässe bei der Versorgung zu verhindern, sollen auch Studenten und Asylbewerber in Betrieben mithelfen.

Von Markus Balser, Michael Bauchmüller, Berlin

Die Ausbreitung des Coronavirus hat zunehmend Folgen für die Ernährungswirtschaft. So zeichneten sich wegen Personalmangels Engpässe in Schlacht- und Zerlegbetrieben oder Molkereien ab, sagte Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) am Donnerstag in Berlin. Teils fielen Berufspendler in Grenznähe weg, teils Beschäftigte aus Osteuropa. Erst am Mittwoch hatte das Bundesinnenministerium einen Einreisestopp für osteuropäische Erntehelfer verhängt. Sie fehlen jetzt in Betrieben, die mit Ernten oder Pflanzungen beginnen. Es gehe nun darum, "Logistik und Personal vom Acker bis auf den Teller sicherzustellen".

Man wolle jetzt Studenten zur Mitarbeit motivieren. Innenminister Horst Seehofer prüfe zudem, ob das Arbeitsverbot für Asylbewerber aufgehoben werden könne. Engpässe bei den Grundnahrungsmitteln drohten allerdings nicht, sagte Klöckner. "Wir werden nicht verhungern. Es ist wichtig, dass wir die Kirche im Dorf lassen."

Auch in der Logistik, vor allem beim Lkw-Verkehr, tauchen neue Probleme auf. So müssen polnische Fahrer, die nach Polen einreisen, dort mit Quarantäne rechnen. Diese Fahrer fehlten dann, sagte Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). Nötig sei ein "Gütertransportpakt", um eine stabile Versorgung mit Waren zu garantieren. "Alle strengen sich noch ein wenig mehr an", sagte Scheuer. "Ich weiß, was die Lkw-Fahrer leisten: Extremes."

Zuletzt hatten sie auch Extremes leisten müssen, weil Verbraucher die Regale in Supermärkten leer kauften. Am Mittwoch hatte das Statistische Bundesamt Zahlen über die Hamsterkäufe der vergangenen Wochen vorgelegt. Danach hatte sich die Nachfrage nach Produkten wie Seife, Mehl und Klopapier teils vervielfacht. Der Bedarf an Toilettenpapier dürfte jetzt für einige Zeit gedeckt sein, spottete Klöckner.

Helfen sollen Bürgern und Wirtschaft nun flexible Lösungen, und das in verschiedenster Hinsicht. Scheuer kündigte etwa Kulanz bei TÜV-Prüfungen an. "Niemand muss derzeit in die Prüfstellen", sagte Scheuer. Jeder Verbraucher solle die Möglichkeit haben, seine auslaufende Prüfplakette erst nach der Corona-Krise zu erneuern. Die Regierung will zudem Angebote ermöglichen, die den Leidtragenden der Pandemie helfen. So will Scheuer die Idee des notleidenden Taxigewerbes unterstützen, für Corona-Erkrankte den Transport von Medizin von der Apotheke nach Hause zu übernehmen. Die Branche arbeite an einer Lösung per App, sagte Scheuer. Zudem gebe es Gespräche über die Langfristvermietung von Autos durch Vermieter an medizinisches Personal. Der Bund prüfe, dafür die Kosten zu tragen. Eine Vereinbarung mit der Lufthansa soll die Ansteckungsgefahr für Passagiere senken. Künftig solle deshalb der mittlere Platz in Sitzreihen leer bleiben.

Die Bundesregierung rüstet sich derweil auch für mögliche wirtschaftliche Verwerfungen nach der Krise. Es gebe Initiativen, um die europäische Infrastruktur zu schützen, sagte Scheuer. Gefährdet sei etwa die Zukunft von Fluggesellschaften. "Schauen Sie sich an, welche Airlines komplett am Boden stehen. Wir werden eine Neuordnung des Luftverkehrs erleben", sagte Scheuer. Er werde zudem alles daransetzen, dass die Autobranche erhalten bleibe. "Wir müssen eine Wagenburg entwickeln zum Schutz der deutschen Wirtschaft", forderte Scheuer

© SZ vom 27.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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