Deutschland:Der Provokateur, mein Verbündeter

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Damals machte man noch gerne Geschäfte mit Saudi-Arabien: Bundeskanzlerin Angela Merkel bei der Eröffnung einer deutsch-Saudi-arabischen Wirtschaftskonferenz im Jahr 2010. (Foto: dpa)
  • Die Opposition fordert, die Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien zu beenden.
  • Die Bundesregierung hingegen setzt weiter auf eine Kooperation mit dem Land: Weil sie auf die Hilfe der Saudis im Syrien-Konflikt hoffen.
  • Allerdings hat die Regierung ohnehin wenig Möglichkeiten, Druck auf Saudi-Arabien auszuüben: Die Waffenexporte betrugen 2015 nur noch 180 Millionen Euro, der Export von Panzern und Sturmgewehren wird nicht mehr genehmigt.

Von Stefan Braun

Steffen Seibert hat am Montag den Ärger seiner Chefin geschickt verborgen. Als der Regierungssprecher von Angela Merkel zu den Hinrichtungen in Saudi-Arabien gefragt wurde, sprach er zwar von Bestürzung und Besorgnis. Zugleich aber blieb er bei der alten Linie, dass man trotz aller Bedenken nicht vom Ziel abrücken werde, mit dem saudischen Königreich auch in Zukunft "konstruktive Beziehungen" zu pflegen. Es schien wie immer zu sein im jahrzehntealten Verhältnis zum umstrittenen Wüstenstaat. Auch angesichts schwerster Menschenrechtsverletzungen will Berlin über Riad nicht den Stab brechen.

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Steinmeier findet die Eskalation im Nahen Osten zum Kotzen

Dass die Hinrichtung von 47 Häftlingen als jüngste Provokation des saudischen Königreichs der Bundesregierung gleichwohl ganz und gar nicht passt, zeigte sich erst, als Martin Schäfer an die Reihe kam. Der Sprecher des deutschen Außenministers erinnerte zunächst daran, dass es eine derartige Ballung von Hinrichtungen an einem Tag seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben hatte.

Dann betonte er, dass der Außenminister ihm an diesem Morgen eine besondere Botschaft mitgegeben habe. Die Botschaft, dass die Staaten im Nahen Osten der Welt mittlerweile einiges schuldig seien. Seit Jahren, ja Jahrzehnten investiere die internationale Gemeinschaft viel Einsatz und Geld, um in der Region Spannungen zu lindern und Konflikte zu schlichten, sagte Schäfer im Namen seines Außenministers. Deshalb sei es nun die Pflicht der Saudis und anderer Staaten der Region, endlich selbst Entspannung und Frieden zu erreichen.

Man muss kein großer Psychologe sein, um diese Sätze zu deuten. Frank-Walter Steinmeier findet die neue Eskalation im Nahen Osten zum Kotzen. Der SPD-Politiker würde das öffentlich natürlich nie so sagen. Aber nach einem Jahr 2015, in dem er wie kaum ein anderer westlicher Politiker zwischen Rabat und Tunis, zwischen Teheran und Riad, zwischen Beirut, Amman und Bagdad hin und her flog, um zu vermitteln, ist der deutsche Außenminister offenkundig sauer darüber, dass schon wieder ein wild gewordenes Regime mit verantwortungslosen Beschlüssen Spannungen provoziert.

Riads Entscheidung, an einem Tag 47 Menschen hinzurichten und dabei auch einen schiitischen Geistlichen zu töten, wird nicht nur in der deutschen Opposition kritisch bewertet. Auch die Regierung hält dies für gefährlich. Das gilt für die Tatsache, dass wieder Menschen hingerichtet werden. Es gilt aber noch viel mehr dafür, dass die Todesstrafe auch an einem schiitischen Geistlichen vollstreckt wurde, dessen Tod im schiitisch dominierten Iran zu Protesten führen musste.

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In Berlin schaut man genau auf den 26. Februar, an dem in Iran gewählt wird. Wenn Riad in dieser Situation eine solche Provokation startet, müssen selbst die moderaten Kräfte in Teheran harte Töne anschlagen, um nicht ins Hintertreffen zu geraten. "Viel blöder oder viel bewusster kann man einen Konflikt nicht provozieren", sagt am Montag ein hoher Regierungsbeamter.

Die Opposition fordert ein Abrücken von Saudi-Arabien

So problematisch die Folgen in der Region selbst sind, so unangenehm wird für die Bundesregierung die innenpolitische Debatte über den Umgang mit den Saudis. Allmählich gehen ihr die Argumente aus, um trotz der Politik Riads die Attacken aus der Opposition zu parieren. Grüne wie Linke fordern längst, die Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien zu beenden und auch sonst demonstrativ vom Regime in Riad abzurücken.

Die Bundesregierung dagegen setzt weiter auf eine Kooperation mit dem Land, weil sie gar nicht anders kann, als auf die Saudis zu hoffen. Zu wichtig ist das Land beim Versuch, den Krieg in Syrien zu beenden. "Die Regionalmacht Saudi-Arabien", sagte Steffen Seibert, "ist unverzichtbar, um die Konflikte der Region zu lösen".

Um dennoch ein Zeichen zu setzen, betonte das Wirtschaftsministerium am Montag, dass alle, also auch die jüngsten Entwicklungen, in jede Prüfung neuer Rüstungsexporte einfließen würden. Wer wollte, konnte das als Warnung lesen.

Allerdings haben die Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien nicht mehr das Potenzial, um Riad mit einem Stopp hart zu treffen. Während Berlin noch 2012 unter der alten Regierung Projekte in einem Wert von weit mehr als einer Milliarde Euro bewilligte, sanken die Ausfuhren von Militärgütern nach dem Regierungswechsel auf zuletzt knapp 180 Millionen Euro 2015. Außerdem werden Panzer und Sturmgewehre nicht mehr genehmigt. Das gilt auch für die Lieferung von Bauteilen für den Lizenzbau des Gewehrs G 36 in Riad. Was die erste große Koalition 2008 noch erlaubt hatte, verhinderte die zweite im Jahr 2015.

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So bleiben der Regierung nach eigener Einschätzung vor allem symbolische Schritte, die man als Zeichen der Kritik beschließen könnte. Einer davon könnte sein, die Teilnahme an einem Kulturfestival Anfang Februar in Riad abzusagen. Wie es heißt, soll darüber "zeitnah" entschieden werden.

© SZ vom 05.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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