Deutscher in Jemen inhaftiert:Drei Monate in der Hölle

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Sie brachten ihn an einen Ort, den es offiziell gar nicht gibt, in das berüchtigte Foltergefängnis in Jemens Hauptstadt Sanaa. Auf Hilfe des Auswärtigen Amtes wartete der Deutsche Frank Motos dort vergebens. Jetzt ist er zurück in Deutschland und wirft dem Außenministerium vor, sein Leben zerstört zu haben.

Von Frederik Obermaier

Frank Motos ist Deutscher. Und er trägt einen Vollbart und einen Kaftan, auch nach Marokko ist er schon gereist, nach Ägypten, die Türkei und Saudi-Arabien, wie so viele andere auch. Und doch soll damit seine Geschichte beginnen. Denn für das Auswärtige Amt könnte genau dies ausschlaggebend gewesen sein bei der folgenschweren Entscheidung darüber, ob er die Unterstützung bekommen sollte, die ihm als deutschem Staatsbürger zusteht.

Motos ist in Schleswig-Holstein aufgewachsen, als Kind musste er immer wieder umziehen. Auch später hielt es ihn nie lange an einem Ort. Allein in Deutschland ist er Dutzende Male umgezogen, in seinen Pässen reihen sich die Stempel fremder Länder, besonders die arabische Welt hat es ihm angetan.

Vergangenes Jahr flog er mit seiner Frau und seinen drei Kindern nach Jemen, reiste durchs Land. Am Morgen des 8. Oktober machte er Stopp in der Provinz Shabwa. Das ist keine Gegend, die Massen an Touristen anlockt. Ausländer stehen schnell im Verdacht, irgendwas mit den Islamisten zu tun zu haben, die sich hier herumtreiben. Vielleicht spielte dies damals auch eine Rolle, als Motos plötzlich von bewaffneten Männern umringt war. Es waren Mitglieder einer jemenitischen Anti-Terror-Einheit. Sie brachten Motos an einen Ort, den es offiziell gar nicht gibt: ein sandfarbener Klotz mitten in Jemens Hauptstadt Sanaa, Stacheldraht auf den Mauern, Panzersperren vor den Toren. Es ist das Aman-Siasi-Gebäude, eines der berüchtigtsten Foltergefängnisse der Welt. Einige Männer, die hier einsaßen, sollen nie wieder aufgetaucht sein.

"Es hat Blut gegeben"

Motos kam nach 14 Wochen frei - und berichtete dem NDR-Politikmagazin Panorama 3 nun von Isolationshaft, von Schlafentzug, von Folter. Männer seien an ihren Händen aufgehängt worden, bis ihnen die Arme aus den Schultergelenken sprangen. Andere seien an einen Stuhl gefesselt und dann Treppen hinuntergeschubst worden. "Es hat Blut gegeben", sagt Motos, und er erzählt auch, dass er vom ersten Tag an verlangt habe, deutsche Behördenvertreter zu sprechen. Statt Diplomaten aus der Bundesrepublik seien jedoch amerikanische Agenten gekommen. Erst später habe ihn ein einziges Mal ein Deutscher besucht.

Dabei erfuhr das Auswärtige Amt schon nach wenigen Tagen, dass ein deutscher Staatsbürger festgenommen worden war, dies geht aus Dokumenten hervor, die der Süddeutschen Zeitung und dem NDR vorliegen. Die deutschen Diplomaten hätten sich "wiederholt und mit allem Nachdruck um konsularischen Zugang bemüht", verteidigt sich das Auswärtige Amt heute, außerdem sei Motos, der auch einen amerikanischen Pass besitzt, ja von der US-Botschaft betreut worden. Faktisch überließen sie Motos den Jemeniten und ihren amerikanischen Verbündeten. Beide Länder sind dafür bekannt, mit Terrorverdächtigen nicht zimperlich umzugehen, zumal, wenn diese in Jemen geschnappt werden.

Das verarmte Land an der Südspitze der Arabischen Halbinsel ist einer der Hauptschauplätze des amerikanischen Kampfes gegen den Terror. Schon seit Jahren hat sich dort das Terrornetzwerk al-Qaida festgesetzt, mehrere Anschlagspläne sollen hier ausgeheckt worden sein. Die Amerikaner reagierten auf ihre Art: Sie schickten Drohnen, töteten Verdächtige. Langzeitdespot Ali Abdullah Salih und sein Nachfolger Abd Rabbo Mansur Hadi spielten bereitwillig mit. Sie erhielten dafür Militärhilfe. Außerdem wurden Jemens Soldaten von amerikanischen "Beratern" ausgebildet, wie jene breitschultrigen Männer offiziell genannt werden, von denen die meisten Jemeniten wissen, dass sie der CIA oder anderen US-Einheiten angehören.

Zusammen mit einer jemenitischen Anti-Terror-Einheit stürmen sie verdächtige Häuser, observieren bärtige Männer und untersuchen nach Drohnenangriffen die Trümmer. Journalisten, die über die zivilen Opfer dieser Angriffe berichteten, landen schnell im Aman-Siasi-Gefängnis in der Hauptstadt Sanaa. Der Knast ist Teil eines Netzes von teils geheimen Verliesen, in denen die Amerikaner oder ihre Verbündeten Verdächtige festsetzen und verhören.

Wer Glück hat, sitzt in einer überfüllten Zelle

Viele Männer, die aus dem Gefängnis im Zentrum Sanaas freikamen, berichteten später von Folter. "Manche erzählten uns, sie seien brutal geschlagen worden. Andere sagten, sie seien angegriffen worden", sagt Letta Tayler von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. Was sie weiß, deckt sich mit dem, was Frank Motos sagt. Nach Erkenntnissen der britischen Nichtregierungsorganisation Reprieve werden in dem Gefängnis mehrere Ausländer festgehalten. Diejenigen, die Glück haben, sitzen nicht in den Isolationszellen im Keller, sondern ein Stockwerk darüber - in überfüllten Zellen, zusammen mit Terroristen oder denen, die Jemeniten und Amerikaner für solche halten.

Motos konvertierte mit 18 Jahren zum Islam, bereiste den Nahen Osten, kleidete sich so, wie es fromme Muslime eben tun. In den Augen der Amerikaner reichte dies offenbar aus, um ihn zu verdächtigen. Immer wieder fragten ihn FBI-Agenten nach Verbindungen zu al-Qaida, wen er kenne, was er plane. Anklage wurde nie erhoben. Jemeniten und Amerikaner, denen sonst sehr dünne Indizien reichen, um Gefangenen monatelang festzuhalten, ließen Motos am 12. Januar 2013 gehen.

Er ist mittlerweile zurück in Deutschland, für das Auswärtige Amt ist der Fall damit offenbar erledigt. Für Motos nicht. Er wirft dem Ministerium vor, sein Leben kaputt gemacht zu haben. Der 32-Jährige beharrt darauf, nichts mit al-Qaida zu tun zu haben. "Ich bin ein ganz normaler Muslim, ich habe nichts mit irgendwelchen komischen Sachen zu tun." Aber ja, freilich kenne er Al-Qaida-Anhänger, "ungefähr 400". Er kenne sie allerdings erst, seitdem er im Gefängnis saß. Dort habe er sie kennengelernt.

© SZ vom 19.06.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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