Deutsche Bürokratie:Zahlen für die eigene Abschiebung

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Eine minderjährige Serbin wird abgeschoben, Jahre später heiratet sie einen Deutschen - und bekommt von den Behörden eine Rechnung: Sie soll die Kosten für ihre Abschiebung begleichen.

Von Roland Preuß, München

Es war wie ein Gruß aus einer anderen Zeit, von einem Amt, das nichts vergisst: Anfang 2012 zog Branka aus Serbien in die Bundesrepublik und heiratete einen Deutschen, zwei Monate später lag das Schreiben der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen in ihrem Briefkasten. Es war kein Willkommensgruß, sondern eine Rechnung.

Gut 600 Euro soll die heute 28 Jahre alte Frau zahlen, weil sie zwölf Jahre zuvor samt Familie abgeschoben worden war. Damals war Branka 16 Jahre alt, also noch nicht einmal volljährig. Das Oberverwaltungsgericht Niedersachsen entscheidet an diesem Donnerstag, ob diese Praxis vieler Behörden zulässig ist.

Abschiebungen sind teuer

Die Familie von Branka, die in Wirklichkeit anders heißt, war 1995 nach Deutschland gekommen, damals herrschte Slobodan Milošević in Serbien und befeuerte die Konflikte im zerfallenen Jugoslawien. Branka war damals neun Jahre alt. Die Behörden lehnten die Asylanträge der Familie ab, 2002 wurden sie schließlich per Flugzeug abgeschoben. Solche Abschiebungen sind teuer, den Flug begleiten oft Sicherheitsbeamte, manchmal werden eigens Maschinen gechartert.

Da können schnell Tausende Euro pro Familie zusammenkommen, Steuergeld, das der Staat zurückfordert. Denn die Migranten sind zur Ausreise verpflichtet und könnten das Land auch freiwillig verlassen. Aber kann man ein damals 16 Jahre altes Mädchen wirklich für ihre Abschiebung verantwortlich machen? Ist es realistisch, dass es nach sieben Jahren in Deutschland alleine nach Serbien zurückkehrt? Ohne Familie?

So sieht es die Behörde und so hat es das Verwaltungsgericht Oldenburg in erster Instanz bestätigt. Hintergrund ist eine Regelung, die Jugendliche ab 16 Jahren ausländerrechtlich als "voll handlungsfähig" einstuft. Dementsprechend müssen sie später die Konsequenzen trage, auch die finanziellen. Im BGB dagegen ist die Haftung von Minderjährigen ausdrücklich beschränkt, wenn deren Eltern Rechtsgeschäfte abschließen oder eine "sonstige Handlung mit Wirkung für das Kind" vornehmen. Bei Abschiebekosten aber soll das nicht greifen.

Die Kosten schrecken Zuwanderer ab

Es ist eine fragwürdige Regelung, die viele Migranten betrifft. Immer wieder kehren Abgeschobene zurück, für einen Ehepartner wie in Brankas Fall, für eine Ausbildung oder auch als Fachkraft, zum Beispiel in Pflegeheimen. Er habe oft mit solchen Forderungen zu tun, sagt Kai Weber vom Flüchtlingsrat Niedersachsen. "Da gibt es durchaus auch Bescheide über 5000 Euro."

Wenn es im Ermessen der Behörde liege, ob jemand einreisen dürfe oder nicht, müssten Migranten oft erst die Abschiebekosten zahlen, ehe sie die nötigen Papiere erhalten. In anderen Fällen haben die Zuwanderer zwar ein Recht, trotzdem nach Deutschland zu kommen, doch faktisch schrecken sie die drohenden Kosten ab. Wer will schon als Krankenschwester in Deutschland anfangen, wenn man zunächst Tausende Euro abzahlen soll?

Faktisch erfüllt die Regelung damit bereits eine Funktion, die das Innenministerium derzeit in anderer Form plant: Nach einem Gesetzentwurf sollen Asylbewerber, die nach Deutschland reisen, um Sozialleistungen zu kassieren, mit einem Einreise- und Aufenthaltsverbot belegt werden können. Sie könnten also schon an der EU-Außengrenze abgewiesen werden. Es ist eine Regelung die vor allem Brankas Landsleute treffen dürfte: Serben.

© SZ vom 25.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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