Deutsche Bewerbung für Sicherheitsrat:"Eine Niederlage wäre peinlich"

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Wahlkampf in New York: Deutschland bemüht sich um einen Sitz im Sicherheitsrat und muss sich erstmals einer Kampfabstimmung stellen. Für Außenminister Westerwelle steht dabei viel auf dem Spiel.

Daniel Brössler

Die Kanzlerin und ihren Außenminister erwartet in der nächsten Woche eine neue Erfahrung: Angela Merkel und Guido Westerwelle ziehen zusammen in den Wahlkampf. Zunächst fliegt Merkel nach New York, danach folgt Westerwelle. Beide werden bei der Vollversammlung der Vereinten Nationen Stimmung machen für eine Bewerbung Deutschlands, die es so noch nicht gegeben hat. Berlin bemüht sich für die Jahre 2011 und 2012 um einen nicht-ständigen Sitz im Sicherheitsrat - und tut dies erstmals in einer Kampfabstimmung. Die Konkurrenten sind Kanada und Portugal, und einen der beiden muss Deutschland schlagen. Voraussichtlich am 12.Oktober wird abgestimmt.

Für ihn wäre eine Niederlage sehr peinlich: Außenminister Guido Westerwelle. (Foto: dpa)

"Wir haben keinen Grund, pessimistisch zu sein, gleichwohl wird auch die letzte Etappe ein hartes Stück Arbeit", sagt Michael von Ungern-Sternberg, der Beauftragte für die Vereinten Nationen im Auswärtigen Amt in Berlin. Er stützt sich dabei auf mehr als ein Bauchgefühl, er stützt sich auf eine Liste mit drei Reihen. Links stehen die Staaten, die Deutschland ihre Stimmen versprochen haben, in der Mitte die Unentschlossenen, und rechts jene, die schon bei den Mitbewerbern im Wort stehen. Die Liste ist vertraulich, schon um der Konkurrenz keine wertvollen Hinweise zu geben.

"Die linke Reihe müsste eigentlich so lang sein, dass sie ausreicht", mutmaßt Gunter Pleuger, von 2002 bis 2006 deutscher UN-Botschafter und heute Präsident der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder. Deutschlands Anspruch, als drittgrößter Geldgeber der Vereinten Nationen alle sechs Jahre im Sicherheitsrat vertreten zu sein, werde allgemein respektiert. Verlass darauf ist freilich nicht. Benötigt werden die Stimmen von zwei Drittel der 192 Mitgliedstaaten; das Kreuz aus dem ozeanischen Inselstaat Nauru zählt dabei so viel wie das der USA.

Da liegt auf der Hand, dass Merkel in New York gerade die Kleinen besonders umschmeicheln wird. Mit Vertretern aus Afrika, Asien und den Inselstaaten des südlichen Pazifiks werde sie zusammentreffen, teilte ihr Sprecher mit. Um Klimawandel, Entwicklungspolitik und Friedensfragen werde es gehen. Außenminister Westerwelle war vor einigen Wochen eigens zum Gipfeltreffen der Afrikanischen Union nach Kampala gereist und hatte versprochen, Deutschland werde sich in den UN für afrikanische Belange einsetzen.

Gerade für Westerwelle steht einiges auf dem Spiel, lässt sich doch Erfolg oder Misserfolg seiner Außenpolitik nirgendwo präziser messen als bei dieser Abstimmung. "Eine Niederlage wäre peinlich", sagt Pleuger. Wer in den Vereinten Nationen sein Gewicht wahren wolle, müsse wichtige Abstimmungen schon gewinnen. Der deutsche Traum von einem ständigen Sitz im Sicherheitsrat jedenfalls würde wohl zerplatzen, auch wenn die jetzige Entscheidung mit der umstrittenen Reform der Vereinten Nationen gar nichts zu tun hat.

Peinlich wäre die Niederlage auch, weil Deutschland trotz aller offizieller Bescheidenheit als Favorit in die Abstimmung geht. Kanada genieße einen guten Ruf und werde mit Warnungen vor einer zu großen europäischen Vertretung im Sicherheitsrat wohl erfolgreich sein, prognostiziert Pleuger. Deutlich schlechter als die Chancen Deutschlands aber schätzt er die Portugals ein, wenngleich das Land hohes Ansehen genieße. Zum Ansehen komme im Falle Deutschlands eben auch die Bedeutung als Finanzier.

Order aus der Zentrale

Deutsche Diplomaten sind seit geraumer Zeit damit beschäftigt, die Regierungen in aller Welt eben daran zu erinnern - ebenso wie an das deutsche Engagement in der Entwicklungshilfe oder für den Klimaschutz. Erhalten sie in einer Hauptstadt positiven Bescheid, geben sie sich damit freilich nicht zufrieden. Die deutsche UN-Vertretung in New York fragt bei den Kollegen in den jeweiligen UN-Botschaften nach, ob sie die Order aus ihrer Zentrale auch erhalten haben. Besondere Fürsorge gilt den Unentschlossenen. Vor Reisen des Außenministers prüft Ungern-Sternberg stets die "Liste", ob irgendwo auf der Route Überzeugungsarbeit zu leisten ist. So erlangt auch ein nächtlicher Zwischenstopp auf den Kapverden Bedeutung.

Manche Außenminister tun Westerwelle den Gefallen, sich öffentlich auf eine Stimme für Deutschland festzulegen, wie jüngst die Mexikanerin Patricia Espinosa Cantellano in Berlin. Am Ende aber kommt es auf die UN-Botschafter an - und denen schaut bei der geheimen Abstimmung niemand über die Schulter.

© SZ vom 16.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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