Deutsch-türkisches Verhältnis:Gabriel: "Es gibt Grenzen, die man nicht überschreiten darf"

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  • Außenminister Sigmar Gabriel hat seinen türkischen Amtskollegen Çavuşoğlu in Berlin getroffen. In dem Gespräch sollte es um das schwer belastete deutsch-türkische Verhältnis gehen.
  • Es gebe Grenzen, die nicht überschritten werden dürften, sagte Gabriel nach dem Gespräch mit Blick auf Nazi-Vergleiche von türkischer Seite.
  • Die Absage türkischer Wahlkampfauftritte in Deutschland sowie die Verhaftung des Welt-Korrespondenten Yücel in der Türkei hatten die Beziehungen der beiden Länder an einen Tiefpunkt gelangen lassen.

Die Beziehungen zwischen Berlin und Ankara bleiben auch nach einem Gespräch zwischen den Außenministern beider Länder angespannt. Das Treffen mit seinem Amtskollegen Çavuşoğlu sei "gut" und "ehrlich" verlaufen, aber auch "hart und kontrovers in der Sache", sagte Bundesaußenminister Sigmar Gabriel.

Er habe sich weitere Nazi-Vergleiche von Seiten türkischer Politiker verbeten, so Gabriel. "Vorwürfe wie in den letzten Tagen dürfen sich nicht wiederholen. Es gibt Grenzen, die man nicht überschreiten darf."

Am Wochenende hatte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan der Bundesregierung "Nazi-Praktiken" vorgeworfen. Damit reagierte er auf mehrere Absagen von Wahlkampfveranstaltungen, die türkische Politiker in Deutschland absolvieren wollten, um für seine umstrittene Verfassungsreform in der Türkei zu werben. Mit ihr will Erdoğan seine Machtfülle ausbauen. Bundeskanzlerin Angela Merkel wies den Nazi-Vergleich als deplatziert zurück.

Es ging auch um den inhaftierten deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel

Er habe mit seinem türkischen Amtskollegen über "alle schwierigen Themen gesprochen", sagte Gabriel weiter. Dazu gehörten die Fragen in Zusammenhang mit dem türkischen Verfassungsreferendum und den Auftritten türkischer Politiker in Deutschland ebenso wie die Inhaftierung des deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel in der Türkei. Der Korrespondent der Welt sitzt dort seit Ende Februar in Untersuchungshaft, ihm wird Propaganda für eine terroristische Vereinigung vorgeworfen.

Streit um Wahlkampf-Auftritte
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Bei seiner Rede in Hamburg kritisiert der türkische Außenminister die Bundesregierung scharf. Sein Auftritt wird von Protesten begleitet.

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Vor seinem Treffen mit Gabriel war Çavuşoğlu selbst von der Absage eines Wahlkampfauftritts betroffen. Sein ursprünglicher Auftritt in einer Veranstaltungshalle in Hamburg war wegen Brandschutzproblemen abgesagt worden. Daraufhin sprach Çavuşoğlu vor der Residenz des türkischen Generalkonsuls in der Hansestadt. Er warf der Bundesregierung vor, eine "systematische Gegnerschaft" gegenüber Ankara zu verfolgen. Türkische Staatsbürger würden in Deutschland "systematisch unterdrückt." Nach dem Treffen mit Gabriel wurden zunächst keine Äußerungen Çavuşoğlus bekannt, eine gemeinsame Pressekonferenz gab es nicht.

Angesichts des vergifteten Tons zwischen Berlin und Ankara hatte Gabriel bereits vor dem Gespräch die Erwartungen gedämpft. Er rechne nicht damit, dass nach dem Treffen "alles erledigt" sei, sagte Gabriel am Dienstagabend im ZDF-"heute-journal".

Es werde einen "Prozess von Gesprächen" geben müssen, "um irgendwann dann wieder in einem besseren Verhältnis zu landen", sagte Gabriel im ZDF. "Durch diese schwierige Phase müssen wir jetzt durch." Es sei jedoch "notwendig, dass wir ins Gespräch kommen und uns nicht nur über Medien Dinge an den Kopf werfen".

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