Wladimir Putin formulierte es in seiner Krim-Rede so: "Denjenigen, die sich gegen den Putsch gewehrt haben, wurde sofort mit Repressionen und Strafaktionen gedroht." In ihrer Not hätten sie sich an Russland gewandt. "Wir konnten diese Bitte nicht unbeantwortet lassen, wir konnten die Krim und ihre Bewohner in der Not nicht allein lassen, alles andere wäre Verrat gewesen."
Russland habe also gar nicht anders gekonnt, als die Krim aufzunehmen. Zu dieser Argumentation passt auch eine Äußerung Putins vom Mittwoch, wonach es schon nach "einem Völkermord" rieche, wenn Kiew die Menschen in der Ostukraine im Winter von Gaslieferungen abschneide - wo es dort ohnehin schon eine humanitäre Katastrophe gebe.
Doch nun gibt es neue Hinweise darauf, wie die Dinge auf der Krim tatsächlich ihren Lauf nahmen - oder wie sie zumindest geplant waren. Ein Dokument, aus dem die Nowaja Gaseta am Mittwoch ausführlich zitiert, legt nahe, dass Moskau keineswegs auf die Ereignisse in der Ukraine nur reagiert, sondern sie zum Teil selbst vorbereitet hat, um das Nachbarland planmäßig zu spalten und sich Teile davon einzuverleiben - und zwar mindestens eine Woche vor dem Sturz Viktor Janukowitschs.
Nach dem Bericht der Zeitung, die eine der angesehensten des Landes ist und bereits zahlreiche Skandale aufgedeckt hat, ging das Strategiepapier zwischen dem 4. und 12. Februar 2014 im Kreml ein. Janukowitsch flüchtete am 21. Februar.
Mitverfasser oder zumindest Initiator war demnach der Finanzinvestor Konstantin Malofejew, bekannt als Sponsor orthodox-reaktionärer Veranstaltungen und berüchtigt für seine engen Kontakte zu den Kämpfern, die den Krieg im Donbass entfachten.
Drohungen gegen die "Nowaja Gaseta"
Malofejew bestreitet, etwas mit dem Papier zu tun zu haben und drohte der Nowaja Gaseta bereits vor der Veröffentlichung mit einer Klage. Außerdem erhielt die Redaktion anonyme Drohungen, sollte der Text in Druck gehen, werde die Druckerei in Brand gesetzt.
Die Verfasser gehen davon aus, dass Janukowitsch sich nicht mehr lange an der Macht wird halten können. Daraus folge eine Lähmung der Zentralmacht; ein "klares Subjekt, mit dem die Russische Föderation verhandeln könnte, fehlt". Dass nach vorgezogenen Parlaments- und Präsidentenwahlen jemand an die Macht komme in der Ukraine, mit dem Russland einen Konsens finden könne, sei unwahrscheinlich.