Designierter italienischer Regierungschef Monti:Furchtlos gegen Privilegien

Lesezeit: 2 min

Italiens Staatspräsident Napolitano hält ihn für "den Richtigen", um Italien aus der Berlusconi-Ära zu führen: Ex-EU-Kommissar Mario Monti soll Chef einer Übergangsregierung werden und dem Land einen zeitraubenden Wahlkampf ersparen. Opposition und Öffentlichkeit sind höchst angetan von dem Wirtschaftsexperten, der angekündigt hat, das politische System in Rom gründlich zu reformieren. Auch den EU-Kollegen wird der überzeugte Europäer gefallen.

Andrea Bachstein, Rom

"Das ist ein wunderschöner Tag", sagte Mario Monti, als er am Sonntagmorgen das Hotel in Rom verließ. Das galt gewiss nicht nur dem für November ungewöhnlichen Sonnenschein. Am Abend zuvor hatten Tausende vor dem Präsidentenpalast in Rom und anderswo den Rücktritt von Premier Silvio Berlusconi gefeiert. Als Monti, der ihm von diesem Montag an folgt, mit seiner Frau Elsa zur Kirche ging, applaudierten und gratulierten ihm Menschen auf der Straße.

Der frühere EU-Kommissar Mario Monti könnte Italien bis zu den nächsten Wahlen übergangsweise regieren. (Foto: AP)

Es gab kaum noch Zweifel, dass Staatspräsident Giorgio Napolitano ihn im Laufe des Tages mit der Bildung einer Regierung aus Experten beauftragen würde. Sie soll bis zu Neuwahlen Reformen auf den Weg bringen. Und um 19 Uhr rief Napolitano ihn dann auch ins Quirinal.

In Italien steht eine enorme Arbeit bevor. Für das Wachstum müssen alle Privilegien abgeschafft werden", hatte der frühere EU-Kommissar Monti gesagt. Das zeigt: Ihm graut vor nichts. Privilegien abzuschaffen, zählt in Italien zu den schwierigsten Aufgaben.

Jede Unterredung Montis mit Präsident Napolitano ist genauestens beobachtet worden in diesen hektischen Tagen. Das Staatsoberhaupt hatte elegant unterstrichen, dass er Monti für den Richtigen hält: Am Mittwochabend ernannte er ihn zum Senator auf Lebenszeit. Unbeirrt hat Napolitano darauf hingearbeitet, den Wirtschaftsprofessor, der in Brüssel den Spitznamen "Supermario" angehängt bekam, an die Spitze einer Übergangsregierung zu stellen. Sie soll Italien einen zeitverschlingenden Wahlkampf ersparen.

"Schluss mit dem Minister-Toto!"

Doch dass der international geachtete Experte sich nicht einlassen wollte auf eine wacklige Mehrheit im Abgeordnetenhaus, war klar. Selbst der halsstarrige Noch-Premier Berlusconi war eingeknickt und hatte gesagt: "Monti ist unumgänglich." Doch seine Partei PDL erlaubte es sich, nach weiteren verheerenden Börsentagen, Zeit mit Machtspielen zu verschwenden. Die PDL spaltete sich über der Frage, ob sie den 68-jährigen Monti mitträgt oder Neuwahlen will. Präsident Napolitano wies sie am Sonntag noch einmal zurecht: "Schluss mit dem Minister-Toto!" Am Abend dann erklärte sich die PDL endlich einverstanden.

Opposition, Öffentlichkeit und der Unternehmerverband favorisierten Monti da bereits offen. Nicht zuletzt wird der überzeugte Europäer Brüssel gefallen. Dort hat sich der wie ein Gelehrter wirkende Monti viel Respekt erworben. Neun Jahre lang, bis 2004, war er erst Binnenmarkt- und dann Wettbewerbskommissar. Furcht und Schrecken hat er bei internationalen Konzernen und Banken verbreitet. Drei Milliarden Euro unberechtigter Staatshilfen mussten deutsche Landesbanken auf Montis Geheiß wieder hergeben.

Auch mit Software-König Bill Gates hat er sich angelegt. 650 Millionen Dollar Strafe musste dessen Microsoft-Konzern wegen Verstoßes gegen Kartellgesetze zahlen und den Media Player seither unabhängig vom Betriebssystem Windows anbieten. Solche Sanktionen machten Monti in den USA keine Freunde. Doch seit ein paar Monaten ist er der erste Nicht-Amerikaner, der den Preis des American Antitrust Institute bekommen hat.

Monti fürchtet sich nicht vor großen Namen und unpopulären Maßnahmen; den Druck, eine Wahl gewinnen zu müssen, hat er nicht. In die Politik hat es ihn nie gedrängt, jedenfalls nicht unter Berlusconi. Monti wollte weder 2001 sein Außenminister werden, noch 2004 Finanzminister. Gut möglich, dass ihm viele Italiener am Ende dankbar sein werden für den Kulturbruch nach Berlusconi. Und noch dankbarer, wenn er das Staatsdefizit senken würde.

© SZ vom 14.11.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: