Den Haag:Die Gräuel des Terminators

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Der Kongo-Rebellenführer Bosco Ntaganda steht vor dem Internationalen Strafgerichtshof. Er erklärt sich für unschuldig.

Von Tobias Zick, Kapstadt

"Ich bin in allen 18 Anklagepunkten unschuldig": So antwortete Bosco Ntaganda am Mittwochmorgen mit leiser Stimme auf die lange Liste der Vorwürfe. Es war der Beginn eines der komplexesten Prozesse in der turbulenten Geschichte des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) in Den Haag: Der frühere Rebellenführer Ntaganda soll für Mord, Vergewaltigung und die Rekrutierung von Kindersoldaten im Ostkongo verantwortlich sein - Grausamkeiten, mit denen er sich den Spitznamen "Terminator" erwarb.

Chefanklägerin Fatou Bensouda nutzte ihr Eröffnungsplädoyer, um die Erlebnisse eines Zeugen im Detail zu schildern: Nach dem Überfall eines Dorfes in der Region Ituri durch Ntagandas Truppen habe der Mann auf der Suche nach seiner Familie einen Berg von Leichen durchwühlt und schließlich Frau und Kinder mit durchgeschnittenen Kehlen gefunden. In der "Union kongolesischer Patrioten" (UPC), die Ntaganda zeitweise anführte, seien minderjährige Mädchen versklavt und von den Kämpfern reihum als "Objekte" sexuell missbraucht worden. "Die Menschheit verlangt Gerechtigkeit für diese Verbrechen", sagte Bensouda.

Für den IStGH bietet das Verfahren die Chance, nach einer Reihe Niederlagen in den vergangenen Monaten den eigenen Ruf wieder aufzubessern. Ende vergangenen Jahres etwa musste das Gericht die Anklage gegen Kenias Präsidenten Uhuru Kenyatta wegen Mangels an Beweisen fallen lassen. Der per internationalem Haftbefehl gesuchte, mutmaßliche Völkermörder Omar al-Baschir, Präsident des Sudan, konnte sich im Juni der Verhaftung in Südafrika entziehen, indem er heimlich von einem Militärflughafen ausreiste - mutmaßlich unter Beihilfe von Südafrikas Präsident Jacob Zuma und unter Beifall der Afrikanischen Union (AU), deren Vertreter dem Gericht eine neokoloniale, rassistische Agenda vorwerfen, weil es hauptsächlich gegen Afrikaner ermittle.

Fatou Bensouda, Ex-Justizministerin von Gambia, hält solchen Vorwürfen regelmäßig entgegen, es handle sich schließlich nicht nur bei den Angeklagten, sondern auch bei deren Opfern überwiegend um Afrikaner. Im Fall Ntaganda sind es viele: Allein die 2002 und 2003 von ihm geführte Miliz soll für rund 8000 Tote verantwortlich sein. Für ihre Bluttaten habe Ntaganda seine Kämpfer als "echte Männer" gelobt, wie aufgezeichnete Funksprüche belegen.

Der IStGH hatte schon 2006 Haftbefehl gegen Ntaganda erlassen - wegen der mutmaßlichen Rekrutierung von Kindersoldaten. Drei Jahre später schloss seine damalige Rebellengruppe ein Friedensabkommen mit der Regierung des Kongo. Die Kämpfer wurden in die Armee integriert, der international gesuchte Bosco Ntaganda wurde zum General ernannt, was an der Grausamkeit seiner Taten wenig änderte.

Im März desertierte er mit seinen Einheiten von der Armee und schloss sich mit anderen Abtrünnigen zur "Bewegung des 23. März" zusammen, einer neuen Rebellenmiliz, die weite Landstriche in Kongos Nordosten unter Kontrolle brachte, zeitweise sogar die Millionenstadt Goma eroberte. Erst im November schlug eine neue Eingreiftruppe der UN-Mission im Kongo (Monusco) mit der kongolesischen Armee die Rebellion nieder. Ntaganda flüchtete in seine Heimat Ruanda, wo er sich im März 2013 in der US-Botschaft stellte - vermutlich aus Furcht, von früheren Kampfgenossen umgebracht zu werden. Ein Prozess in Den Haag erschien ihm als kleineres Übel.

Der Prozess, der sich auf Ntagandas mutmaßliche Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit 2002 und 2003 bezieht, könnte bis zu zwei Jahre dauern. Das Gericht wird sich mit 8000 Dokumenten befassen, etwa 80 Zeugen sollen gehört werden.

© SZ vom 03.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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