Die Demonstration von Neonazis in Hamburg Wandsbek ist am Samstagabend beendet worden. Zuvor haben - begleitet von Protesten Tausender Menschen - mehrere hundert Rechtsextreme in Hamburg demonstriert. Linken Demonstranten war es jedoch gelungen, die ursprüngliche Route zu blockieren, so dass die Rechtsextremen erst mit großer Verspätung starten konnten und eine andere Strecke nehmen mussten. Auch kamen statt der erwarteten 1000 Demonstranten nur etwa 700 Rechte in den östlichen Stadtteil Wandsbek. Auf dem Rathausmarkt in der Innenstadt gab es ein buntes Volksfest gegen Rechts mit über 10.000 Teilnehmern.
Die Rechtsextremen hatten ihren Marsch unter dem Motto "Tag der Deutschen Zukunft" mit über dreistündiger Verspätung erst nach 15.00 Uhr begonnen. Die Neonazis trugen Plakate mit Sprüchen wie: "Stoppt den Multikultiwahn" oder "Deutsch kann nur der sein, der deutscher Abstammung ist" oder "Multikulti = Völkermord".
Zu Beginn der Kundgebung hatte der bundesweit bekannte Neonazi Thomas Wulff eine Rede gehalten. Wulff ist in der rechten Szene unter dem Namen "Steiner" bekannt. Auf der Twitter-Seite der Rechtsextremen hieß es dazu: "Kamerad Steiner begrüßt die Demoteilnehmer". Sie mussten in Absprache mit der Polizei die Route ändern. Die Teilnehmer zogen auf einer Strecke südlich des ursprünglich vereinbarten Weges durch Wandsbek. Aber auch dort wurden sie mehrmals durch Blockaden gestoppt.
Die Blockaden verliefen meist friedlich, vereinzelt kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen
"Sieht gut aus! Nazis sind von drei Seiten blockiert. Ihr seid spitze", twitterten die Linken. In den meisten Fällen verliefen die Blockaden friedlich, sagte ein Polizeisprecher. Nach seinen Angaben standen den 700 Rechtsextremen mehrere tausend linke Demonstranten gegenüber.
Am Rande des Aufmarsches ist es auch zu Ausschreitungen von Gegendemonstranten aus der linken Szene gekommen. 38 Beamte wurden verletzt, wie die Polizei nach Abschluss des Großeinsatzes mitteilte. Zur Schwere der Verletzungen wurden keine Angaben gemacht. Es habe 17 Festnahmen gegeben. Außerdem wurden den Angaben zufolge 63 Demonstranten vorübergehend in Gewahrsam genommen.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) kritisierte die Ausschreitungen scharf. "Die Angriffsziele der linken Chaoten sind der demokratische Rechtsstaat und seine Polizei. Ihr angeblicher Kampf gegen Neonazis dient nur als Vorwand", erklärte der stellvertretende Bundesvorsitzende der Gewerkschaft, Frank Richter (GdP). Wenn in der Nacht vor einer gerichtlich genehmigten Kundgebung von Neonazis bereits 14 Polizeifahrzeuge in Brand gesetzt würden, könne wohl kaum von einer Provokation durch die Polizei geredet werden. Die Hamburger Polizei sprach von elf angezündeten Fahrzeugen. Nach GdP-Informationen entstand bei den Bränden ein Schaden von 1,5 Millionen Euro.
Auf der anderen Seite berichteten Zeugen von einem massiven Polizeieinsatz. Die Polizei sei teils mit großer Härte vorgegangen, teils auch gegen friedliche Demonstranten. Die Polizei setzte auch immer wieder Wasserwerfer ein, um die Blockaden aufzulösen. Zu Beginn der Gegenkundgebungen hatte die Polizei an einem der Kundgebungsorte, in der Wagnerstraße, zwischen 500 und 700 linke Demonstranten umringt, um sie in Gewahrsam zunehmen. Zuvor hatte der Organisator diese Kundgebung für aufgelöst erklärt.
Die Polizei habe nach der Auflösung alle Demonstranten aufgefordert, den Versammlungsort zu verlassen. Daraufhin hätten Teilnehmer die Polizei mit Steinen und Böllern beworfen.
10.000 Menschen nahmen an "Hamburg bekennt Farbe" teil
Auf dem mehrere Kilometer entfernten Rathausmarkt hatten ab 11.00 Uhr über 10.000 Menschen friedlich gegen die Kundgebung der Rechtsextremen demonstriert. Diese offizielle Demonstration stand unter dem Motto "Hamburg bekennt Farbe". Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) rief unter lautem Applaus: "Wir stehen zusammen. Wir sind stolz darauf eine weltoffene Stadt zu sein." Um Punkt zwölf Uhr rief Scholz dazu auf, bunte Karten in die Höhe zu halten, um Farbe zu bekennen. Tausende folgten der Aufforderung.
Wegen zahlreicher Musik-Acts glich die Stimmung teils einem Volksfest. Bewegend war der Auftritt der Holocaust-Überlebenden Esther Bejarano, die zusammen mit ihrem Sohn unter großem Applaus jüdische Volkslieder sang. Die 87-Jährige ist eine der letzten Überlebenden des einstigen Mädchenorchesters von Auschwitz.
Auch der Hamburger Schriftsteller Ralph Giordano rief zum Widerstand gegen Neo-Nazis auf. "Sagen wir dem gewöhnlichen, dem schwelenden Nazismus, der bekennenden Unbelehrbarkeit, den Lügnern von der "Auschwitz-Lüge", sagen wir ihnen überall dort den Kampf an, wo wir auf sie stoßen", sagte er in seiner Rede, die das H amburger Abendblatt vorab veröffentlicht hatte. Bereits in der Nacht hatte es erste Zwischenfälle gegeben. Vor einem Hotel im Hamburger Stadtteil Lemsahl-Mellingstedt brannten elf Polizeiwagen. Die Polizei vermutet, dass die Brände gelegt wurden. Die Wagen gehörten zu Beamten aus Nordrhein-Westfalen, die in dem Hotel untergebracht waren.