Degler denkt: Nach den Wahlen:Parteien, hört die Signale

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Nach den Landtagswahlen: Die Wähler haben klare Botschaften gesendet. Doch die großen Parteien wollen sie nicht verstehen - mit Folgen für die Parteienlandschaft.

Dieter Degler

Am Sonntag sind an der Saar und in Thüringen ziemlich genau die Konstellationen eingetreten, die ich vergangene Woche an dieser Stelle prognostiziert habe. Und weil man dazu kein Hellseher sein musste und diese Ergebnisse auch für andere absehbar waren, sollte man meinen, die Parteizentralen hätten sich vernünftige und erfolgversprechende Handlungsoptionen zurechtgelegt, mit denen sie nun auf die Ergebnisse reagieren und die letzten Wahlkampfwochen noch spannend machen können.

SPD-Spitzenkandidat Frank-Walter Steinmeier und Kanzlerin Angela Merkel: Haben die Parteien die Botschaft der Wähler wirklich verstanden? (Foto: Foto: AP)

Doch so wird es kaum kommen. Seit dem Dreiländer-Wahlabend dokumentieren Union und SPD, dass sie den Wählerauftrag nicht recht verstehen können oder wollen. Dabei haben die Bürger in Thüringen, Sachsen und an der Saar klare Signale gesendet:

Der CDU haben sie mitgeteilt, dass sie von ihr allein nicht regiert werden wollen, sie sich nach Bündnispartnern umschauen soll und es auch für Schwarz-Gelb nicht genügt, wenn kein inhaltlich und personell überzeugendes Konzept zu Abstimmung steht.

Der SPD haben sie erklärt, dass es auch 40 Jahre nach Willy Brandt eine Mehrheit links von der Union geben kann, und sie einen Politikwechsel herbeiführen soll.

Der Linken haben sie bestätigt, dass sie auf bestem Wege ist, die SPD als linke Volkspartei abzulösen.

Der FDP haben sie ins Stammbuch geschrieben, dass die Bäume zwar nicht in den Himmel wachsen, aber sie als marktwirtschaftliches und Bürgerrechts-Korrektiv erwünscht ist.

Und die Grünen haben sie schließlich ermuntert, das wichtigste langfristige Thema dieses Planeten weiter voranzutreiben und ihre Ziele gemeinsam mit anderen Parteien auch durchzusetzen.

Und was machen die großen Parteien, die am vergangenen Sonntag die wahren Verlierer waren, mit diesen Botschaften?

Sie sind offenkundig drauf und dran die Wünsche ihrer Wähler zu ignorieren. Das fängt bei der Union an, die nun ihre Strategie des Abwartens ändern und wenigstens zwei Aktivitäten entwickeln müsste: Das Programm Angela Merkel durch ein inhaltliches Programm zu ersetzen, das klarmacht, wie sie Deutschland aus der Wirtschaftskrise führen will. Und sie müsste die Amtsinhaberin aus ihrem Kanzleramt-Cocooning scheuchen und in den Wahlkampf schicken.

Doch diesen Schwenk, auf den auch CDU- und vor allem CSU-Funktionäre drängen, wird es nicht geben. Schon am Montag stellte die CDU-Zentrale innerparteiliche Kritiker ruhig und verkündete, es bleibe alles beim Alten: Keine inhaltlich getriebene Auseinandersetzung, keine härteren Bandagen in der Auseinandersetzung mit den politischen Gegnern und schon gar keinen Lagerwahlkampf - kurz: Wir machen weiter wie bisher, Angela ist unsere Botschaft.

Ebenso klingt es bei der SPD. Sie sollte dem Wählerwillen folgend im Saarland und in Thüringen mit Linken und Grünen Regierungen bilden. Doch die Sozialdemokraten, die ja nicht aus eigener Kraft sondern durch die Schwäche der Union und die Stärke der Linken nach langer Zeit wieder die Chance erhalten haben, mitregieren zu können, eiern herum.

In Thüringen versuchen sie die Option offenzuhalten, mit den abgewählten Christdemokraten eine große Koalition bilden zu können. Und für den Bundestagswahlkampf werden, wie bei der Union, keine Konsequenzen gezogen.

Schlimmer noch: Die SPD setzt im Wahlkampf nicht mehr darauf, für etwas zu sein, sondern gegen etwas: Schwarz-Gelb verhindern, heißt die aktuelle Defensivlinie. Was man getrost so übersetzen kann: Wir wollen die große Koalition in Berlin als Juniorpartner weiterführen, weil wir sonst in der Opposition landen.

Machen Union und SPD bis zum 27. September so weiter, bleibt der Wahlkampf so flau und flach wie bisher, die inhaltliche Auseinandersetzung über gewichtige und brennende Themen wird ersetzt durch Gezeter über Dienstreisen und Abendessen.

Wir werden dann mutmaßlich auch in den kommenden Jahren von einer großen Koalition regiert. Und die Volksparteien werden so lange im Eiltempo weiter erodieren, bis die kleineren, vielleicht erst die Linke, dann die Grünen, zu welchen werden.

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