Debatte über Integration:Vereinfachen mit dem Wer-der-Satz

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Ob Merkel, Koch oder jetzt Gabriel: In der Zuwanderungsdebatte begegnet die Politik dem Provokateur leider auch mit dessen Mitteln - und ahmt die Sprache des "kleinen Mannes" nach.

Nico Fried

Der Wenn-dann-Satz ist ein übliches Instrument der Politik. Wenn dies, dann jenes. Er soll Klarheit und Konsequenz suggerieren. Der Wenn-dann-Satz lässt Politik ganz einfach erscheinen. Sein Zwillingsbruder ist der Wer-der-Satz. Mit ihm personalisiert man das Wenn-dann. Das macht die Sache noch anschaulicher. Auch der Wer-der-Satz legt nahe, dass die Dinge simpel sind. Und das machen sich Politiker gerne zunutze, wenn sie sich anbiedern wollen.

Kein Wunder, dass die jüngste Debatte über die Zuwanderung dafür schöne Beispiele liefert. Die Bundeskanzlerin Angela Merkel sagt: Wer zuziehe und sich dem Integrationskurs verweigere, der müsse die Konsequenzen tragen. SPD-Chef Sigmar Gabriel sagt, wer seine Kinder nicht in die Schule schicke, "dem schicken wir die Polizei vorbei". Oder: Wer auf Dauer Integrationsangebote ablehne, der könne nicht in Deutschland bleiben.

Oder: "Wer sich als Ausländer nicht an unsere Regeln hält, ist hier fehl am Platze." Oh pardon, das hat Roland Koch gesagt, Ende 2007, zum Auftakt eines beispiellosen Landtagswahlkampfes zu Lasten jugendlicher Ausländer. Dagegen übrigens hat Merkel damals nichts unternommen - ein Versäumnis, das sie heute stets unterschlägt, wenn sie aufzählt, was sie schon alles für die Integration geleistet habe.

Die Vereinfachung Wenn-dann oder Wer-der ist der Versuch, jene zu erreichen, von denen man glaubt, dass sie für die Thesen eines Thilo Sarrazin besonders empfänglich sind. Merkel oder Gabriel oder Koch oder wer auch immer ahmen gerne zunächst einmal die Sprache des berühmten kleinen Mannes nach, um anzuzeigen, dass sie seine Sorgen diesmal aber wirklich ernst nehmen. Dabei wird dann auch so getan, als gebe es simple Kriterien für die Unterscheidung von guten und schlechten Ausländern. Dem Extremismus der Provokation begegnet die Politik also mit einem gewissen Extremismus der Vereinfachung - und damit letztlich mit einem Mittel, das dem des Provokateurs ziemlich nahekommt.

Denn mit der vereinfachten Sprache geht ja auch die Einfachheit der vorgeblichen Lösung einher. Angela Merkel zum Beispiel räumt Missstände ein, tut aber so, als sei deren Behebung gar nicht so schwierig. So dürften schon jetzt bei mangelnder Integration Sozialleistungen gekürzt werden. Wenn das noch nicht konsequent angewandt werde, dann werden wir in Zukunft dafür sorgen, sagt die Kanzlerin. Und der SPD-Chef sagt: Wo es kriminell zugeht, da brauchen wir eben mehr Polizei.

Die Vereinfachung ist keine Lösung. Sie ist lediglich eine Methode, eine gerade für die Volksparteien unangenehme Debatte weniger relevant erscheinen zu lassen, als sie ist. Wo es nur mehr Konsequenz braucht oder mehr Polizei, da muss man sich doch auch nicht so aufregen. Dabei beweist das Verhalten der Politik in den Wochen seit Beginn der Sarrazin-Debatte nur, dass sie in Wahrheit in heller Aufregung ist.

© SZ vom 22.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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