Debatte im Bundestag:Ein TÜV für Afghanistan

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Seit beinahe neun Jahren ist die Bundeswehr in Afghanistan. Doch was bringt es? Die Abgeordneten im Bundestag sind mittlerweile misstrauisch geworden - und verlangen eine unabhängige Kontrolle über Erfolg und Misserfolg des Einsatzes.

Daniel Brössler

Interessierte Bürger können bei der Bundesregierung bunte Broschüren mit Überschriften wie "Frieden und Sicherheit in Afghanistan - Sicherheit für uns" anfordern. Darin sind fröhliche Mädchen mit Kopftüchern und Angaben darüber zu finden, wie viele junge Afghaninnen seit dem Ende der Taliban-Herrschaft wieder zur Schule gehen konnten. Solche Bilder und Zahlen, die einen Teil der Wirklichkeit zeigen, werden auch im Bundestag mit wachsendem Unbehagen gesehen.

Ein TÜV für Afghanistan soll her: Die Bundestagsabgeordneten wollen in Zukunft besser über die Fortschritte und Misserfolge am Hindukusch informiert werden. (Foto: Reuters)

Die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit nach bald neunjährigem Bundeswehreinsatz in Afghanistan hat die Abgeordneten misstrauisch gemacht. Bevor sie erneut das Mandat verlängern, stellen sie eine Mindestanforderung: Sie wollen fundiert darüber informiert werden, was vor Ort los ist. Entstehen soll eine Art Afghanistan-TÜV.

"Wir haben eine komplexe Situation zu bewerten, in der es um eine politische Verhandlungslösung, die militärische Strategie zur Aufstandsbekämpfung und die zivile Aufbaustrategie geht. Wir brauchen ein System der Auswertung, um festzustellen, ob die drei Elemente richtig justiert sind", sagt der Vize-Fraktionschef und Afghanistan-Experte der Grünen im Bundestag, Frithjof Schmidt. Neu ist die Forderung der Grünen nach wissenschaftlichen Lageberichten aus Afghanistan nicht. Neu ist, dass ihr im Prinzip nun alle im Parlament zustimmen, was an diesem Freitag bei einer Afghanistan-Debatte im Bundestag deutlich werden dürfte. Grüne, SPD, FDP und Union verhandeln seit einiger Zeit über die Modalitäten.

Einigkeit herrscht darüber, dass die Bundesregierung künftig fortlaufend anhand konkreter Daten über Erfolge und Misserfolge in Afghanistan informieren soll. "Wir legen Wert darauf, als Parlament zu messen, inwieweit Vorgaben eingehalten und welche Fortschritte gemacht werden", sagt der außenpolitische Sprecher der FDP, Rainer Stinner. Wie das konkret aussehen könnte, haben SPD und Grüne bereits in einem gemeinsamen Antrag formuliert. Eine "kontinuierlich angelegte, unabhängige, wissenschaftliche Evaluierung des bisherigen Engagements seit 2001" soll Rechenschaft ablegen über Fortschritte etwa in den Bereichen Gesundheit oder Bildung, aber auch über den Zugang der Bevölkerung zu Wasser und Energie oder die Gleichstellung der Frauen.

Dem Bericht wäre dann nicht nur zu entnehmen, wie viele Kilometer Straßen gebaut und wie viele Polizisten ausgebildet wurden. Er würde auch eine Gesamtanalyse des zivilen Aufbaus und der Sicherheitslage liefern - und das vorzugsweise vierteljährlich. SPD und Grüne hätten sich eine Art unabhängige Kontrollkommission gewünscht, die Schlussfolgerungen aus den Berichten zieht. Da machen indes die Regierungsfraktionen nicht mit, die diese Aufgabe innerhalb des Parlaments belassen, durchaus aber Experten hinzuziehen wollen.

Am 20. Juli reisen Außenminister aus aller Welt, auch Guido Westerwelle, nach Kabul zur großen Afghanistan-Konferenz. Sie werden zurückkehren mit Versprechen der Afghanen, welche Aufgaben sie wann selbst in die Hand nehmen wollen, damit sie 2014 eigenverantwortlich für die Sicherheit im Land sorgen können. Die Bundesregierung wird anhand dessen Zielmarken präsentieren. An diesen wird sie sich schon bald messen lassen müssen. Im Dezember erwarten die Abgeordneten einen ersten Zwischenbericht - rechtzeitig vor der nächsten Verlängerung des Mandats für den Bundeswehreinsatz.

© SZ vom 02.01.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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