Türkei:Erosion in Erdoğans AKP

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Ahmet Davutoğlu, 60 Jahre alt, gilt als Erfinder der "neo-osmanischen" Außenpolitik, die auf vergangene Größe und die Annäherung an die islamische Welt setzt. (Foto: Burhan Ozbilici/AP)
  • Der frühere türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu hat seinen Ausstieg aus der Regierungspartei AKP von Präsident Recep Tayyip Erdogan bekanntgegeben.
  • Davutoglu hat vor, eine neue politische Bewegung zu gründen.

Von Christiane Schlötzer, Istanbul

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan bekommt konservative Konkurrenz. Der ehemalige Premier Ahmet Davutoğlu ist am Freitag in Ankara aus Erdoğans AKP ausgetreten, er will eine eigene Partei gründen. Davutoğlu, 60 Jahre alt, war zwischen 2014 und 2016 selbst AKP-Chef. Er gilt als Erfinder der "neo-osmanischen" Außenpolitik, die auf vergangene Größe und die Annäherung an die islamische Welt setzt. Mit Erdoğan hat Davutoğlu sich schon länger überworfen. Er beschuldigte die AKP, sie habe sich von ihren "Grundprinzipien" entfernt.

Davutoğlus Schritt steht für eine schleichende Erosion in der konservativ-islamischen Partei, die seit 2002 regiert. Bei den jüngsten Kommunalwahlen musste sie erstmals schwere Verluste hinnehmen. Davutoğlu hatte auch vor der Annullierung der Istanbuler Kommunalwahl gewarnt. Im Juni siegte dort der Oppositionspolitiker Ekrem Imamoğlu ein zweites Mal, noch deutlicher. Danach trat im Juli bereits Ex-Wirtschaftsminister Ali Babacan aus der AKP aus, auch er will eine Partei gründen.

Erdoğan hat die Abtrünnigen als "Verräter" bezeichnet. Dass es in der Partei gärt, zeigt sich auch an der Basis: Seit August 2018 sank die Zahl der Mitglieder offiziell um fast 800 000, auf jetzt 9,9 Millionen. Damit ist die AKP aber noch einsame Spitze. Die größte Oppositionspartei, die säkulare CHP, hat 1,2 Millionen Mitglieder. Davutoğlu sagte, er lade jeden zur Zusammenarbeit ein, "dessen Herz für die Zukunft dieses Landes schlägt". Umfragen sehen die neuen konservativen Parteien meist unter der Zehnprozenthürde für das Parlament in Ankara. Meinungsforscher schließen aber nicht aus, dass es schon vor Wahlen - die erst für 2023 geplant sind - im Parlament Übertritte gibt.

Auch höchste Gerichte zeigen mehr Widerspruch. Das Kassationsgericht sprach fünf Journalisten der Oppositionszeitung Cumhuriyet frei, die wegen "Terrorunterstützung" zu hohen Haftstrafen verurteilt worden waren, darunter der prominente Karikaturist Musa Kart. Sie wurden am Donnerstagabend aus dem Gefängnis entlassen.

© SZ vom 14.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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