Dalai Lama: Im ZDF bei Illner:"Es leiden immer die Schwachen"

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So sehr sich TV-Moderatorin Maybrit Illner auch um klare Worte bemühte: Der Dalai Lama lächelte. Er lächelte und fand außer Schlaflosigkeit nichts richtig problematisch - fast nichts. Die Teilnehmer der Diskussion taten sich leichter damit, Forderungen zu stellen.

Barbara Vorsamer

"No Problem, no problem", sagt der Dalai Lama leise und lächelt. Es sei wirklich überhaupt kein Problem, wiederholt der Simultanübersetzer, der - Zufall oder nicht - mit leiser, brüchiger Stimme davon spricht, dass Außenminister Frank-Walter Steinmeier keine Lücke im Terminplan für den Dalai Lama gefunden habe.

Der Dalai Lama und seine Gastgeberin Maybrit Illner. (Foto: Foto: AP)

Stattdessen äußert das religiöse Oberhaupt der Tibeter im ZDF-Interview mit Maybrit Illner Verständnis für eigentlich alle: Für westliche Führungspolitiker, die ihn nicht empfangen; für die gewaltbereite tibetische Jugend; ja sogar für China.

Die TV-Moderatorin versucht zwar ihr Möglichstes, um ein knackiges Zitat oder eine neue Forderung aus dem Dalai Lama hervorzulocken, doch es gelingt ihr nicht. Ihr lächelndes Gegenüber ist nunmal die personifizierte Gewaltlosigkeit - auch verbal.

An die internationale Gemeinschaft ergehen keine harten Worte. Wer im Extremfall wirklich für China kämpfen würde, will Illner wissen. Da lacht der Dalai Lama, überlegt eine Weile und sagt diplomatisch: "Tibet ist ein kleines Land und in der Menschheitsgeschichte leiden immer die Schwachen."

Manche könnten ihm seine Zurückhaltung als Schwäche auslegen. Zum Beispiel gibt er zu, große Meinungsverschiedenheiten mit der Jugendorganisation Tibets zu haben. "Viele kritisieren mich", sagt er und fügt nach einer Pause wie mit einem Schulterzucken hinzu: "Zurecht, vielleicht, naja."

So spricht der Führer der tibetischen Opposition. Er überlässt die Debatte über das richtige Vorgehen der Welt gegenüber China lieber den Diskussionsteilnehmern, mit denen Illner am Abend die Lage Tibets bespricht, nachdem ihr am Nachmittag aufgezeichnetes Interview mit dem Dalai Lama ausgestrahlt war.

Die Deutschen im Studio sind mit Forderungen schneller bei der Hand: Norbert Röttgen zum Beispiel, der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, hält es für ein großes Problem, dass der Bundesaußenminister für den Religionsführer keine Zeit gefunden habe. Die SPD-Strategie gehe doch bis hin zur Kontaktsperre, wettert er. Für die Terminprobleme des Bundespräsidenten jedoch äußert CDU-Mann Röttgen Verständnis.

Alles Parteiengezänk, findet der Schauspieler Hannes Jaenicke, ein Unterstützer der "International Campaign für Tibet Deutschland e.V.". Seiner Meinung nach sind Köhler und Steinmeier gleich feige. Jaenicke schreckt in der Diskussion vor deutlichen Worten nicht zurück: "Ich finde das Küssen chinesischer Hintern durch das IOC unerträglich."

Positives über die Olympischen Spiele

Der Dalai Lama jedoch spricht positiv über Olympia. Wie schon so oft betont er im ZDF-Interview, er unterstütze die Olympischen Spiele in China. Er argumentiert auch gegen einen Boykott durch westliche Nationen: "Man sollte dort hingehen."

Das hört Diskussionsteilnehmer Michael Vesper gern. Der Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) argumentiert ebenfalls gegen einen Olympia-Boykott: Ein autoritäres System könne gegen einen Prozess in Richtung Freiheit nichts tun und "die Olympischen Spiele befördern diesen Prozess", sagt Vesper. Desweiteren erwähnt er die 25.000 Journalisten, die während der Olympiade frei aus China berichten würden.

Aus Martin Posth, dem ehemaligen VW-Vorstand und Asien-Chef des Autobauers, spricht die Sorge um die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit den Chinesen. In einem Einspielfilm heißt es: Deutschland braucht China, aber China braucht nicht Deutschland. Deshalb plädiert Posth für eine strikte Ein-China-Politik. "Dass Merkel vergangenes Jahr den Dalai Lama empfangen hat, war ungeschickt", sagt er. Kein einziger Wirtschaftsdeal sei nach dem Treffen von Merkel mit dem Tibeter geplatzt, entgegnet Jaenicke.

Oft gehörte Argumente

So tauschen die Diskutanten bei Maybrit Illner mal wieder die Argumente aus, die im Zusammenhang mit China und Tibet schon tausendmal ausgetauscht wurden. Die Runde lässt kaum einen Aspekt aus: Dürfen die Sportler politische Zeichen setzen? Jaenicke ist dafür, Vesper vom DOSB erklärt, warum es verboten ist. Was sollte die Wirtschaft tun? Wirtschaftsdeals mit Bedingungen in Menschenrechtsfragen verknüpfen (Jaenicke), mit chinesischen Firmen schon aus Eigeninteresse zusammenarbeiten (Posth).

Doch eigentlich hat der Dalai Lama all diesen Argumenten und Forderungen schon im Vorfeld den Wind aus den Segeln genommen, als Maybrit Illner im Interview alle Forderungen und Positionen abfragte. Olympiaboykott? Nein. Vielleicht Wirtschaftssanktionen? Nein, mit China müsse zusammengearbeitet werden. Politischer Druck? Nein. Bei diesem Thema legt der Dalai Lama seine Stirn in Denkerfalten. China sei eine große Nation und müsse integriert werden.

Das Problem Schlaflosigkeit

All die Forderungen also, die von - teilweise selbsternannten - Tibetfreunden so laut geäußert werden, erhebt deren Oberhaupt nicht. Und rhetorisch geschickt relativiert er die in Deutschland so heiß geführte Diskussion über das Thema Wer-trifft-ihn? und Wer-trifft-ihn nicht? So etwas, sagt der Dalai Lama, sei kein unmittelbares Problem. Ein unmittelbares Problem wäre zum Beispiel Schlaflosigkeit.

Oder, da fällt ihm noch etwas ein: Jahrzehntelang keine Heimat zu haben. Das sei schon ein Problem, sagt der Mann, der seit beinahe fünfzig Jahren im Exil lebt.

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