Cum-Ex:Liebesgrüße vom Finanzamt

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In Nordrhein-Westfalen (hier das Finanzamt in Herford), in Hessen und Bayern hat der Fiskus in Cum-Ex-Fällen hart ermittelt. In Hamburg gaben sich die Finanzbehörden großzügiger. (Foto: Schöning/imago)

Im dem Skandal wird keiner geschont - außer in Hamburg.

Von Klaus Ott und Jörg Schmitt

Bayerns Fiskus kennt kein Pardon, auch nicht beim Steuerskandal Cum-Ex. Und viel Zeit zum Zahlen lässt er ebenfalls nicht. Am 30. April 2019 schickte das Finanzamt München der Bank Caceis einen Bescheid über fast 312 Millionen Euro, zahlbar bis zum 3. Juni 2019. Mit einem zweiten Schreiben vom selben Tag machte das Finanzamt auch noch Zinsen für hinterzogene Steuern in Höhe von fast 148 Millionen Euro geltend, ebenfalls zahlbar bis Anfang Juni. Versehen mit dem vorsorglichen Hinweis, die Bank möge nicht vergessen, die Steuernummer beziehungsweise das Aktenzeichen (143/107/10009/KA01) und den Verwendungszweck anzugeben.

Wenige Tage vor den beiden Bescheiden hatte Caceis, eine deutsche Tochter der französischen Großbank Crédit Agricole, sich über eine Anwaltskanzlei beim Finanzamt München gemeldet. Und das nicht zum ersten Mal. Die Anwaltskanzlei rügte, der Fiskus sehe das alles falsch. Ein solcher Steuerbescheid stehe in "eklatantem Widerspruch" zur Rechtsauffassung anderer Finanzbehörden. Doch die zuständige Finanzbeamtin ließ sich nicht beeindrucken, die Bescheide gingen raus. Inzwischen hat Caceis, unter Protest, zumindest die 312 Millionen Euro gezahlt. Per Klage beim Finanzgericht München will die Bank das Geld zurückholen. Die Behörden in Bayern sehen das gelassen. Ein Münchner Steuerfahnder hatte schon vorher notiert, man betrachte das anstehende Verfahren als "richtungsweisend". Mit anderen Worten: Der weiß-blaue Fiskus zieht das durch.

So wie in Bayern läuft das auch in Hessen und Nordrhein-Westfalen. Dort wird hart ermittelt. Alles, was die Beamten an Steuern geltend machen können, wird eingetrieben. In Bayern, Hessen und NRW sind die meisten Cum-Ex-Fälle anhängig. Hier bedarf es keiner Weisung des Bundesfinanzministeriums, um durchzugreifen. Anders Ende 2017 in Hamburg. Damals hatte das Finanzministerium die Hansestadt gezwungen, gegen die Bank Warburg vorzugehen. Damals war Olaf Scholz noch Bürgermeister in Hamburg und nicht Bundesfinanzminister. Warburg bestreitet, bei Cum-Ex den Fiskus betrogen zu haben. Geprüfte Fälle verjähren zu lassen, kommt anderswo nicht in Frage. Bei Caceis hatte das Finanzamt München frühzeitig geklärt, wie einer Verjährung vorzubeugen sei. Nach Erkenntnissen von Staatsanwälten und Steuerfahndern haben zahlreiche Banken sich beim Handel von Aktien mit (cum) und ohne (ex) Dividende eine nur einmal gezahlte Steuer auf die Dividendenerlöse von trickreich getäuschten Finanzbehörden mehrmals erstatten lassen. Steuerfahnder schätzen den Schaden für den Fiskus auf mehr als zehn Milliarden Euro. Ein großes Manko gibt es allerdings bei vielen Finanzbehörden: Um alle Verdachtsfälle zügig abzuarbeiten, fehlt es an Personal. Zahlreiche lange zurückliegende Fälle bleiben unentdeckt, die Dunkelziffer ist hoch. Bundesweit waren bis August 51 Verfahren, in denen der Fiskus 1,1 Milliarden Euro gerettet hat, rechtskräftig abgeschlossen. 391 Verdachtsfälle, in denen es um 4,3 Milliarden Euro geht, waren bei der jüngsten Umfrage des Bundesfinanzministeriums unter den Ländern und beim Bundeszentralamt für Steuern in Bonn noch offen. Die offiziellen Zahlen sind deutlich niedriger als die geschätzten zehn Milliarden Euro Schaden.

© SZ vom 30.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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