CSU-Landwirtschaftsminister:In einsamer Mission

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Warum der sonst so zögerliche Christian Schmidt sich bei der Brüsseler Abstimmung über die weitere Zulassung des Unkrautvernichtungsmittels auf einmal ganz entschlossen gezeigt hat.

Von Michael Bauchmüller

So is er, der Schmidt. Am Dienstag danach sitzt Christian Schmidt im Bundeskanzleramt und schweigt. Am Montag hat der Landwirtschaftsminister von der CSU quasi im Alleingang das umstrittene Pestizid Glyphosat durchgesetzt. Am Dienstag isst er im Kanzleramt zusammen mit 30 Oberbürgermeistern und Ministerpräsidenten Königsberger Klopse mit Kapern: beim Dieselgipfel. Schmidt ist schließlich auch amtierender Verkehrsminister. Der CSU-Politiker hat den Job von Alexander Dobrindt geerbt, kommissarisch. Schweigsam sei er gewesen, berichten Teilnehmer. Geradezu einsilbig.

"So is er, der Schmidt", hatte er am Vorabend bei einer eilig anberaumten Pressekonferenz über sich gesagt - noch voller Selbstbewusstsein. "Ich fühle mich verpflichtet, in der Bundesregierung die Dinge zu entscheiden, die zur Entscheidung anstehen." Selten war der einstige Verteidigungspolitiker in den vergangenen vier Jahren so entschieden aufgetreten. An die Landwirtschaft war er ohnehin geraten wie die Jungfrau zum Kind. Doch am Montag hat der Franke eine höchst toxische Mischung angerührt: Er lässt in Brüssel eine Entscheidung passieren, die sein Koalitionspartner SPD seit Jahren mit Verve bekämpft - in einer Phase, in der Union und SPD sich anschicken, über eine neue Koalition zu reden. Was will er, der Schmidt?

Am Tag danach gehen die Deutungen weit auseinander. Will er diese Koalition verhindern? Will er sich, kurz vor dem Parteitag, seiner CSU als furchtloser Kämpfer empfehlen? Tut er der Agrar- und Chemielobby einen letzten Gefallen? Oder hat er einfach genug vom Glyphosat-Streit?

Eines zumindest lässt sich ausschließen: ein Versehen. Schon am Montagmorgen haben die Staatssekretäre aus Landwirtschafts- und Umweltministerium Kontakt. Umwelt-Staatssekretär Jochen Flasbarth macht klar, dass sein Haus bei einem "ganz klaren Nein" bleibe. Mittags greift Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) zum Hörer, sie sagt das Gleiche ihrem Kollegen Schmidt. Der bestätigt das Ergebnis noch einmal per SMS. Um 13:07 Uhr schreibt er Hendricks, dass damit der "Dissens leider bestehen" bleibe. Im Umweltministerium atmen die Experten auf, die Glyphosat-Mehrheit scheint abgewendet zu sein. Der Ball läge nun im Feld der Kommission, und ob die das Pflanzengift billigt, ist zumindest nicht entschieden. Geschieht nichts, läuft die Genehmigung für das Pflanzengift Ende des Jahres ab.

Wenn sich zwei Minister streiten, bleibt in Brüssel eigentlich nur eins: Deutschland enthält sich

Tatsächlich waren es die Stimmen aus Deutschland, die den Unterschied gemacht haben - hätte sich der deutsche Gesandte enthalten, wäre die nötige Mehrheit nicht zustande gekommen (siehe nebenstehenden Bericht). Aber durfte Schmidt die Dinge entscheiden, "die zur Entscheidung anstehen", wie er sagt?

Die Frage ist hochpolitisch, denn sie führt ins Reich potenzieller Konsequenzen für den CSU-Politiker. Im Umfeld des Kanzleramtes heißt es zunächst noch, Schmidt habe nicht widerrechtlich gehandelt, sondern im Rahmen seiner Ressortverantwortung. Das aber passt nicht ganz zur "gemeinsamen Geschäftsordnung" der Regierung. Das 73-seitige Dokument regelt, wie die Ministerien gemeinsam das Land regieren, wie sie sich abstimmen und was passiert, wenn sie sich nicht einigen können. Auch die Juristen des Umweltministeriums berufen sich darauf. "Solange Meinungsverschiedenheiten bestehen, darf das federführende Bundesministerium keine allgemein bindenden Entscheidungen treffen, die das Einvernehmen anderer Bundesministerien voraussetzen", heißt es in Paragraf 19. Und dann, in Paragraf 74: "Die Haltung der Bundesregierung zu Vorhaben der Europäischen Union ist in den Gremien der Europäischen Union einheitlich darzustellen."

"Ich fühle mich verpflichtet, die Dinge zu entscheiden, die zur Entscheidung anstehen": Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) - hier mit Kanzlerin Angela Merkel am Dienstag beim Klimagipfel - hat der Lizenz-Verlängerung für den Glyposat-Einsatz zugestimmt. (Foto: Lüdtke/picture allicance; Michael Sohn/AP)

Zumindest der Bundeskanzlerin ist das klar. "Das Verhalten entspricht nicht dem, was wir in der Geschäftsordnung der Bundesregierung vereinbart haben", sagt sie am Dienstag nach dem Dieselgipfel. "Dieses gilt auch für eine geschäftsführende Bundesregierung." Darüber habe sie auch mit Schmidt schon gesprochen, so ein Vorgang dürfe sich nicht wiederholen. "Ansonsten ist ein gedeihliches gemeinsames Arbeiten in der Bundesregierung nicht möglich." Minister bleibt der CSU-Mann aber: Seine Absetzung hätte vielleicht die SPD gefreut, nicht aber die Schwesterpartei. Und Merkel versucht nun, den Riss wieder zu kitten. Sie will schließlich über eine neue Koalition reden.

Schmidt hatte der Kommission signalisiert, dass er einer Verlängerung zustimmen könnte

Dass ein Alleingang beim Reizthema Glyphosat nicht ohne Blessuren abgeht, hätte Schmidt freilich ahnen können, denn der Streit mit Hendricks läuft schon seit fast zwei Jahren. Vorangegangene Entscheidungen waren einheitlich uneinheitlich, stets agierte die Bundesrepublik mit dem "German vote" - Enthaltung mangels Einigkeit. Da es aber eine Mehrheit für Glyphosat brauchte, wirkte die wie eine Nein-Stimme.

Erst Anfang November hatte Schmidt in einem Brief an die Kommission signalisiert, dass Deutschland einer Glyphosat-Genehmigung für zunächst drei Jahre "vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Lage" zustimmen könnte - seinerzeit sondierten noch die Jamaika-Parteien, darunter interessanterweise auch die Glyphosat-Gegner von den Grünen. Aus dem Umweltministerium kam prompt ein Veto, Schmidt wich zurück.

Auch die Entscheidung vom Montag war ursprünglich zwischen den Ministerien konsultiert worden. Den entsprechenden Sprechzettel hatten Schmidts Leute herumgeschickt, als Ergebnis der Abstimmung. Das Verhandlungsziel sei "Enthaltung zum vorliegenden Vorschlag", heißt es darin. Dann kam der einsame Entscheider Schmidt.

Am Ende bleiben jede Menge Irritationen - und eine andere Entscheidung. Denn das deutsche Ja zu Europas Glyphosat-Genehmigung lässt sich nicht mehr rückgängig machen. National ließe sich das Pestizid aber durchaus verbieten. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat das vor, sobald Alternativen gefunden sind. Auch Hendricks hält den Vorschlag für interessant, sie will das rechtlich prüfen. Denkbar sei auch, den Einsatz von Glyphosat auf ganz bestimmte Bereiche zu beschränken. Vorausgesetzt natürlich, man findet noch einmal zu einer Koalition.

© SZ vom 29.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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