Pandemie:Nervensäge außer Dienst

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Einst wichtige Eintrittskarte, nun unwichtig geworden: die Corona Warn-App. (Foto: Catherina Hess)

Die Corona-Warn-App sollte im Kampf gegen die Pandemie helfen. Zwischenzeitlich wurde sie zur letzten Eintrittskarte in das, was vom Leben noch übrig war. Und jetzt? Wird sie offiziell in den Ruhestand geschickt. Eine Verabschiedung.

Von Angelika Slavik, Berlin

Wenn man sich jetzt fragt, ob man sie vermissen wird, denkt man natürlich an diesen Tonfall. "Zwei Risikobegegnungen" stand dann da auf leuchtend rotem Grund, so subtil wie vorwurfsvoll, dass man sich gleich selbst fragte, wo, zur Hölle, man sich denn eigentlich wieder rumgetrieben habe. Im Zug gefahren? Im Restaurant gewesen? Ja, die Corona-Warn-App war so etwas wie der Software gewordene Erziehungsberechtigte in dieser Pandemie: Sie meinte es ja immer gut, aber mitunter konnte sie wirklich wahnsinnig nerven.

Am 1. Juni ist es nun vorbei mit ihr, die Corona-Warn-App wird in den Schlafmodus versetzt. Die Warnfunktion wurde schon vor ein paar Wochen deaktiviert, nun können auch keine Impf- oder Testzertifikate mehr hinzugefügt oder aktualisiert werden. Auch Updates gibt es nicht mehr. In der aktuellen Lage sei ein Weiterbetrieb nicht sinnvoll, heißt es aus dem Bundesgesundheitsministerium. Damit ist jetzt auch das letzte Instrument der Pandemiebekämpfung Geschichte: Die App ist von nun an offiziell nutzlos.

Bis dahin war es ein wilder Ritt.

Fast auf den Tag genau vor drei Jahren, am 16. Juni 2020, konnte die Corona-Warn-App von Handynutzern in Deutschland das erste Mal heruntergeladen werden. Die damals amtierende Bundesregierung machte keinen Hehl aus ihrem Stolz: Die App sei "ein wichtiger Helfer, wenn es darum geht, Infektionsketten zu erkennen und zu unterbrechen", sagte Kanzlerin Angela Merkel. Helge Braun, ihr Kanzleramtschef und wichtigster Pandemiemanager, ergänzte: "Es ist nicht die erste Corona-App, die weltweit vorgestellt wird, aber ich bin ziemlich überzeugt davon, es ist die beste."

Man erhoffte sich einen Durchbruch im Kampf gegen die Pandemie. Daraus wurde nachweislich nichts. Ob die App wenigstens ein bisschen geholfen hat? Die Bilanz ist umstritten: 60 Millionen PCR- und 180 Millionen Antigen-Testergebnisse wurden über die App geteilt. Ob und wie viele Infektionen damit verhindert wurden, ist unklar, die FDP verlangt deshalb eine Evaluierung. Sicher ist, dass das Projekt teuer war: Insgesamt kostete es 220 Millionen Euro, deutlich mehr als ursprünglich veranschlagt.

Auch gesellschaftlich war ihre Stellung kompliziert. Zwischenzeitlich, als die 2G-, 3G- und 3G-plus-Regeln aufkamen, waren die Corona-App und die darin gespeicherten Impf- und Testzertifikate die einzige Eintrittskarte in das, was vom Leben noch übrig war. Die App war es aber auch, die die Gesellschaft teilte: In Geimpfte und Ungeimpfte, in Getestete und Ungetestete, in die mit Eintrittskarte und die mit Eintrittsverbot. Immerhin, das muss man ihr anrechnen, soll sie gelegentlich als unschlagbare Ausrede gedient haben: Man wäre ja gerne gekommen, aber leider, leider, die App leuchtet rot!

Man kann die Corona-Warn-App natürlich weiterhin behalten. Vielleicht weil die digitalen Impfzertifikate dort gespeichert sind, sie werden auch nicht gelöscht. Vielleicht aber verwendet man sie fortan auch als Mahnmal: eine digitale Erinnerung an schlechte Zeiten. Bis sie, irgendwann, vom nächsten Handywechsel dahingerafft wird.

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