Contra Direktwahl des Bundespräsidenten:Keine Krone für den zahnlosen Tiger

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Wer die Demokratie aufwerten will, muss den Parteien Macht nehmen und nicht einem zahnlosen Tiger noch die Krone aufsetzen.

Thorsten Denkler

Es war ausgerechnet Horst Köhler selbst, der 2007 die Direktwahl des Bundespräsidenten ins Gespräch brachte. Er tat dies nicht in einer wichtigen Rede, in der er diese Idee breit hätte argumentieren können, sondern in der damaligen ARD-Polittalkshow Sabine Christiansen. Möglich also, dass es doch nur so ein spontaner Gedanke war, der Köhler da gekommen ist. Er hätte ihn besser nicht ausgesprochen.

Der Bundespräsident sollte weiter so gewählt werden wie bisher. (Foto: Montage: sueddeutsche.de)

Die Direktwahl des Bundespräsidenten wird immer dann diskutiert, wenn mal wieder eine Wahl zum Bundespräsidenten ansteht. Sicher, das Wahlverfahren ist nicht sonderlich transparent. Da werden mehr als 1200 Wahlmänner- und frauen von den Parteien entsprechend ihrer Stärke in Bund und Landesparlamenten in eine so genannte Bundesversammlung berufen. Und die stimmen dann geheim, aber wohl nicht immer frei, über die Kandidaten ab.

Überraschungen gibt es nicht. Es gewann bisher immer der Kandidat, dessen Lager schon rechnerisch die Mehrheit in der Bundesversammlung hat.

Dieses Verfahren mag nicht besonders mitreißend sein, ist aber angemessen. Der Bundespräsident ist auf dem Papier das Staatsoberhaupt, hat aber nur viel zu sagen, doch faktisch nichts zu bestimmen. Er hat keinerlei gestalterische Macht. Und das ist gut so.

Die Väter und Mütter des Grundgesetzes haben in großer Weisheit entschieden, dass niemals mehr so viel Macht in den Händen einer Person liegen soll wie in der eines Weimarer Reichspräsidenten. Absolute Macht hat in der repräsentativen Parteien- und Parlamentsdemokratie niemand mehr. Nicht mal die Bundeskanzlerin kann schalten und walten, wie sie will. Sie ist vom Bundestag abhängig, kann genauso gewählt wie auch wieder abgewählt werden.

Das Prinzip der repräsentativen Demokratie würde auf den Kopf gestellt werden, sollte der Bundespräsident vom Volk direkt gewählt werden. Auch Prinzipen dürfen natürlich hinterfragt werden. In diesem Fall aber spricht viel dafür, das Amt nicht durch eine Direktwahl aufzuwerten.

Ein Bundespräsident, der sich auf eine erkleckliche Mehrheit im Volk berufen kann, der könnte, der müsste mehr zu tun haben, als nur die Abteilung "warme Worte" zu verwalten. Es wäre kaum möglich, ihn als politischen Eunuchen weitermachen zu lassen, wenn die Mehrheit eines 80-Millionen-Volkes hinter ihm steht.

Bis jetzt etwa prüft der Bundespräsident Gesetze nur dahingehend, ob sie verfassungskonform sind. Es könnte ihm dann aber einfallen, auch inhaltlich Kritik zu üben, er könnte sich entschließen, aktiv in Gesetzgebungsprozesse einzugreifen. Wer würde das einem Amtsinhaber verwehren wollen, der eine größere demokratische Legitimation besäße als jeder andere staatliche Repräsentant inklusive des Kanzlers oder der Kanzlerin?

Die Direktwahl würde somit das politisches System der Bundesrepublik auf den Kopf stellen. Sie würde die Weichen hin zu einer Präsidialdemokratie nach französischem Vorbild stellen. Das aber wollen auch die meisten Befürworter einer Direktwahl nicht.

Was aber soll die Direktwahl dann? Warum sollte das Volk mit großem Tamtam, mit echtem Wahlkampf, Fernsehduellen und allem was dazugehört einen Bundespräsidenten wählen, der ausschließlich repräsentative Aufgaben wahrnehmen soll?

Wenn dahinter der Versuch stehen sollte, dem Volk mehr demokratische Macht zu geben, dann ist das ein äußerst kläglicher Versuch. Da gibt es andere, bessere Möglichkeiten, ohne gleich die repräsentative Demokratie in Frage zu stellen.

Die Bürger könnten etwa mit ihrer Stimme die Zusammensetzung und Reihenfolge der Wahllisten der Parteien bestimmen. Das Gefühl, nichts ändern zu können, rührt unter anderem auch daher, dass auch nach einer Wahl die gleichen Gesichter in die Fernsehkameras lächeln wie vorher. Die Parteien machen intern aus, wer in der Politik was zu sagen hat.

Wer die Demokratie aufwerten will, muss den Parteien Macht nehmen und nicht einem zahnlosen Tiger noch die Krone aufsetzen - auf die Gefahr hin, dass dieser sie gegen ein neues Gebiss eintauscht.

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