Rechter Terror in Neuseeland:Keine Bühne vor Gericht

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Gebet für die Opfer nach dem Anschlag in Christchurch 2019. (Foto: William West/AFP)

An diesem Montag beginnt die Urteilsanhörung im Fall des Attentäters von Christchurch. Der Mann soll so wenig mediale Aufmerksamkeit bekommen wie möglich.

Von Felix Haselsteiner, München

Auf den neuseeländischen Nachrichtenseiten geht es einen Tag vor Beginn des wichtigsten Prozesses in der Geschichte des Landes um die nationale Meisterschaft im Frauen-Netzball, Kleinkriminalität und die mögliche Rückkehr der Kreuzfahrtschiffe in der Pandemie. Schaut Neuseeland weg, wenn es um die Verurteilung des Terroristen Brenton T. geht, der am 15. März 2019 in Christchurch in zwei Moscheen 51 Menschen ermordet hat?

Nein, die Beschäftigung mit alltäglicheren Nachrichten entspricht dem Kalkül des Gerichts in Christchurch, wo an diesem Montag die Urteilsanhörung beginnt. T. soll möglichst wenig Aufmerksamkeit erhalten. Live-Berichterstattung aus dem Gerichtssaal ist nicht erlaubt.

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Der Angeklagte, der vor der Urteilsverkündung sprechen darf, soll keine Bühne erhalten, um seine Ideologie zu verbreiten. Neuseeland lernt aus anderen Prozessen gegen Terroristen: Bilder wie die des fein gekleideten, lachenden Anders Breivik in Norwegen, der ausführlich seine Vorstellungen verbreiten konnte, will man vermeiden.

Seit dem Anschlag hat T. öffentlich nie solche Aufmerksamkeit erhalten wie Breivik. "Ja, schuldig", waren die einzigen relevanten Worte, die von T. seit seiner Festnahme an jenem 15. März in die Medien drangen. Am 25. März 2020 bekannte der 29-Jährige sich in allen drei Anklagepunkten schuldig: 51 Morde, 40 versuchte Morde sowie Terrorismus. Das Geständnis löste Erleichterung in der Gemeinschaft der Opfer aus, ein langer Prozess konnte so vermieden werden. "Es wird uns viel Zeit und Stress ersparen", sagte Temel Atacocugu, der den Anschlag schwer verletzt überlebte, der Zeitung NZ Herald.

Die islamische Gemeinde hofft, mit dem Prozess einen endgültigen Abschluss zu finden. "Natürlich könnte er Berufung einlegen, aber für die Familien wird es insofern ein Abschluss sein, dass er uns Schaden zugefügt hat und nun dafür bezahlen muss", sagte Aliya Danzeisen, eine Sprecherin der Gemeinschaft. 66 Überlebende wird das Gericht in dieser Woche anhören, teils sollen sie aus dem Ausland per Video zugeschaltet werden. Vier Tage sind für das Verfahren angesetzt, T. wird im Saal sein, erst am Ende soll er zu Wort kommen.

Wohl einzigartiges Urteil im neuseeländischen Rechtssystem

Das Urteil dürfte im neuseeländischen Rechtssystem einzigartig sein: Mindestens 17 Jahre Haft zieht ein Mord als Teil eines Terroraktes nach sich. In Neuseeland gab es jedoch noch nie so einen Fall, Beobachter rechnen daher mit einer lebenslangen Strafe ohne Möglichkeit der Haftaussetzung.

Diskutiert wird, ob der australische Staatsbürger T. die Strafe in Australien absitzen müsste. Laut Regierungsdokumenten kosten schon die nächsten zwei Jahre Haft wegen Sicherheitsmaßnahmen 3,6 Millionen NZ-Dollar Steuergelder. Für Premierministerin Jacinda Ardern sind die Kosten nicht entscheidend: Es gehe darum, den Wünschen der Opfer zu entsprechen.

© SZ vom 24.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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