China:Hartes Geld für einen romantischen Traum

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China will die alte Seidenstraße wiederbeleben und dafür 45 Milliarden Dollar in Pakistan investieren. Peking erhofft sich neue Märkte - doch Separatisten leisten Widerstand.

Von Arne Perras und Kai Strittmatter, Peking/Singapur

Der Traum ist schon älter, nun lebt er wieder auf: China will sich einen Weg über Land zum Indischen Ozean bahnen. Wer auf die Karte von Südasien blickt, stößt auf zwei Länder, die sich dafür geradezu aufdrängen: Myanmar und Pakistan. Im ehemaligen Birma hat Peking bereits auf einer vorgelagerten Insel einen Hafen gebaut, wo Rohöl entladen und anschließend in Pipelines nach Norden gepumpt werden kann. Weiter westlich, in Pakistan, hat Peking noch größere Pläne. Sie standen nun im Mittelpunkt eines zweitägigen Besuchs des chinesischen Präsidenten Xi Jinping in Islamabad. Einen modernen ökonomischen Korridor wollen die beiden Länder schaffen, nicht weniger als 3000 Kilometer lang, von der chinesischen Westprovinz Xinjiang hinunter zum pakistanischen Hafen Gwadar. Eine Idee, die beide Länder fasziniert, die aber noch einige Hürden zu überwinden hat.

Das Pakistan-Projekt ist Teil eines größeren Plans Chinas. Peking hat eine Vision: Die alte Seidenstraße, ein Netz von Wegen, auf dem China jahrtausendelang Handel mit dem Westen und dem mittleren Osten betrieb, soll wiederbelebt werden, und zwar gleich zweifach. Einmal über Land und einmal übers Meer. Der pakistanische Hafen Gwadar soll an der Schnittstelle beider Routen liegen. Chinas Versprechen sind gewaltig: Investitionen und Kredite in Höhe von 45 Milliarden Dollar sollen, über die nächsten 15 Jahre verteilt, in Projekte in Pakistan fließen. Allein am Montag unterzeichneten Pakistans Premier Nawaz Sharif und Chinas Präsident Xi Jinping Verträge über den Bau von Kraftwerken, Straßen und Häfen in Höhe von 28 Milliarden Dollar. Ein solches Investment Chinas in einem Nachbarland gab es noch nie. Wenn die Pläne alle Wirklichkeit werden, würde China auch die USA um ein Vielfaches ausstechen: Als Washington Pakistan einen Hilfsschub versprach, da ließ es zwischen 2010 und 2014 Entwicklungshilfe in Höhe von insgesamt fünf Milliarden Dollar nach Pakistan fließen. China will mit seinem Engagement nicht nur neue Handelswege vorantreiben - es hofft, im eigenen Interesse auch dort Erfolg zu haben, wo die USA gescheitert sind: bei der Modernisierung und Stabilisierung des notorisch unruhigen Pakistan. China befürchtet nämlich zunehmend, dass Islamistengruppen in der Region Gewalt und Terror in seine muslimisch geprägte Provinz Xinjiang exportieren.

Plakative Freundschaft: Chinas Präsident Xi Jinping (Mitte) mit Pakistans Ministerpräsident Nawaz Sharif (rechts oben) und Staatschef Mamnoon Hussain. (Foto: Anjum Naveed/AP)

Nun soll ein 3000 Kilometer langer Highway von Xinjiang nach Südpakistan führen, er soll Straßen- und Schienenwege verknüpfen, bis er schließlich die Küste erreicht. Vom Hafen Gwadar ist es nicht mehr weit zu den Ölhäfen der arabischen Welt und den afrikanischen Küsten, die China wie kein anderes Land als neue Einflusssphäre und Rohstoffquelle erschließt. Auch die Regierung Sharif braucht dringend ökonomische Erfolge, wie sie sie ihrem Volk vor der Wahl versprochen hat. Der Großteil der Investitionen soll in dem von täglichen Stromausfällen geplagten Land denn auch in den Energiesektor fließen. Das erste gemeinsame Projekt wird nun der Bau eines Dammes am Jhelam-Fluss in Nordpakistan sein, Bauherr ist die "China Three Gorges"-Gruppe.

Pakistan ist zwar, rein geografisch, ein wunderbarer Partner für Chinas Traum vom Indischen Ozean und der neuen Seidenstraße. Doch ist dies auch ein Staat, der wegen der extremistischen Gewalt und zahlreicher innerer Konflikte erheblich unter Druck steht. Wer hier Milliarden in die Infrastruktur investiert, hat mit Sicherheitsrisiken zu kämpfen. China umschifft solche Risiken normalerweise, wo es kann. Dass es seine pakistanischen Pläne nun dennoch mit Nachdruck vorantreibt, spricht für die hohe strategische Relevanz, die Peking langfristig einem transpakistanischen Korridor zumisst.

Dieser Korridor wäre vermutlich schon viel weiter gediehen, würde Pakistan nicht so häufig durch Bombenanschläge erschüttert, die Investoren abschrecken. Seit acht Jahren schon ist der Hafen in Gwadar fertiggebaut, die Chinesen verwalten ihn. Dennoch warten die Menschen in der Region noch immer auf den ersehnten Aufschwung. In der umkämpften Region Belutschistan, zu der auch Gwadar gehört, ballen sich mehr Konflikte als in jeder anderen Region Pakistans; hier gibt es einerseits separatistische Kräfte, andererseits aber auch islamistische Extremisten, die Afghanistan und Pakistan destabilisieren und die Minderheit der Shia attackieren.

Die Separatisten leisten Widerstand gegen die Pläne für den Korridor, immer wieder haben sie Baustellen angegriffen, Pipelines und Züge gesprengt, Arbeiter leben dort besonders gefährlich, erst vor wenigen Tagen massakrierte eine aufständische Miliz in einem nächtlichen Angriff 20 pakistanische Arbeiter. Auch chinesische Ingenieure kamen dort bereits ums Leben.

Pakistans Planungsminister Ashan Iqbal glaubt, dass das Projekt die gesamte nationale Wirtschaft "komplett umkrempeln" könne, er spricht nicht von Geopolitik, sondern einer neuen Geo-Ökonomie, die beiden Ländern nutzen werde. Schöne Worte, doch die Pakistaner hören solche Ankündigungen nicht zum ersten Mal. Oppositionspolitikerin Sherry Rehman mahnte: "Um den Weg für den ökonomischen Korridor zu ebnen, ist mehr nötig als guter Wille in Islamabad." Vor allem braucht es dazu die Sicherheit, die so viele Pakistaner schon so lange ersehnen.

© SZ vom 22.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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