Chile:Präsident sagt Welt-Klimagipfel ab

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Chiles Präsident Sebastián Piñera. (Foto: Pedro Lopez/AFP)

Wegen der Unruhen in dem südamerikanischen Land lädt Sebastian Pinera die wichtige UN-Konferenz wieder aus. Die nationalen Probleme hätten Vorrang, sagt er.

Von Christoph Gurk, Buenos Aires

Chile wird im Dezember nicht die jährliche UN-Klimakonferenz ausrichten. Grund für die Absage seien die anhaltenden sozialen Unruhen in seinem Land, erklärte Staatschef Sebastian Piñera am Mittwoch. Auch der für November geplante Asien-Pazifik-Gipfel wird nicht stattfinden. Die Absagen stellten einen enormen Verlust für Chile dar, sagte Piñera in einer Ansprache. Er habe aber beschlossen, die beiden Gipfel nicht auszurichten, "in Anbetracht der Geschehnisse der letzten Wochen".

Seit mehr als zehn Tagen wird Chile von schweren, teils gewaltsamen Protesten erschüttert. Begonnen hatten die Demonstrationen, als die Regierung Anfang Oktober erklärte, die Fahrpreise für die Metro in Santiago de Chile erhöhen zu wollen. Schnell breiteten die Proteste sich aus, mittlerweile gehen die Menschen vor allem auch gegen soziale und wirtschaftliche Ungleichheit auf die Straße. Vergangenen Freitag gab es Kundgebungen, an denen nach Schätzungen eine Million Menschen teilnahmen. Es waren die größte Proteste in der Geschichte des südamerikanischen Landes.

Neben den meist friedlichen Kundgebungen kam es immer wieder auch zu heftigen Auseinandersetzungen mit der Polizei. Supermärkte wurden geplündert und U-Bahnstationen in Brand gesteckt. Piñera erklärte darum Mitte Oktober den Ausnahmezustand und verhängte eine Ausgangssperre. Das Militär patrouillierte auf den Straßen. Sein Land befinde sich im Krieg, sagte der Staatschef. Wenige Tage später entschuldigte er sich aber für diese Aussage. Weil die Proteste nicht abflauten, versprach er Sozialmaßnahmen wie die Anhebung des Mindestlohns und das Einfrieren der Strompreise. Dazu tauschte er Anfang dieser Woche auch mehr als die Hälfte seines Kabinetts aus. Doch auch am Dienstag gab es wieder große Demonstrationen. Diese sollen auch an den nächsten Tage fortgesetzt werden. Gewerkschaften kündigten dazu für die kommenden Tage ebenfalls Streiks an.

Bei den Demonstrationen kamen bislang mindestens 18 Menschen ums Leben, fünf von ihnen wurden durch Kugeln von Polizisten getötet oder von Einsatzfahrzeugen überfahren. Hunderte Menschen sind dazu verletzt, viele von ihnen haben schwere Schäden an den Augen erlitten, hervorgerufen durch Tränengas oder Gummigeschosse. Mehrere Tausend Menschen wurden festgenommen, darunter auch viele Minderjährige. Es gibt Berichte über Folter und sexuelle Gewalt. Die Vereinten Nationen erklärten, eine Sondermission in das Land zu schicken, um den Vorwürfen nachzugehen. Am Dienstag wurde ein Menschenrechtsbeobachter laut Presseberichten bei Demonstrationen von sieben Gummikugeln der Polizei getroffen. Er musste im Krankenhaus behandelt werden.

Nach der Absage der beiden Gipfel entschuldige sich Präsident Piñera bei den geplanten Teilnehmern für alle Unannehmlichkeiten. Als Präsident aller Chilenen müsse er die nationalen Probleme aber vorne anstellen. Dazu versprach der Staatschef auch einen breiten und tief greifenden Dialog mit seinen Landsleuten. Es sei nun vordringliche Aufgabe, die öffentliche Ordnung, die Sicherheit der Bürger und den sozialen Frieden wieder herzustellen und alle Kraft dafür aufzuwenden, eine neue soziale Agenda zu erarbeiten, um Antworten auf die wichtigsten Fragen der Bürger zu finden, so der Präsident.

Die chilenische Wirtschaft wächst zwar, ebenso wie das Pro-Kopf-Einkommen stetig steigt. Allerdings ist der Wohlstand in dem südamerikanischen Land sehr ungleich verteilt und die Verschuldung der Bevölkerung ist eine der höchsten der gesamten Region. Die Bildung ist weitestgehend privatisiert, viele junge Chilenen müssen sich hoch verschulden, um auf einer Universität studieren zu können. Gleichzeitig sind die Renten oft sehr niedrig, mehr als die Hälfte der Arbeiter verdient laut staatlicher Statistikbehörde kaum mehr als den Mindestlohn.

Noch ist unklar, ob und wo der Klimagipfel der Vereinten Nationen nachgeholt wird. Chile hatte die Organisation selbst kurzfristig übernommen, nachdem Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro die eigentlich in seinem Land geplante Veranstaltung abgesagt hatte.

© SZ vom 31.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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