Charlotte Knobloch vor Ablösung:Brutal und stillos demontiert

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Die Präsidentin des Zentralrats der Juden steht vor der Ablösung. Charlotte Knobloch fehlt offenbar die Unterstützung ihrer wichtigsten Mitstreiter.

Matthias Drobinski

Sie war in Osnabrück, als die Nachricht kam, bei der Einweihung der neuen Synagoge, und alles war sehr feierlich. Die Meldung hieß: Charlotte Knobloch werde im November nicht mehr für das Präsidentenamt im Zentralrat der Juden in Deutschland antreten; die Wochenzeitung Zeit gab als Quelle "Zentralratskreise" an. Knobloch selber habe dem Wunsch auch enger Mitarbeiter bereits zugestimmt.

Charlotte Knobloch - steht angeblich vor der Ablösung. (Foto: Foto: ddo)

Charlotte Knobloch traf die Meldung völlig unvorbereitet; erst am späten Nachmittag gab es von ihr eine dürre Erklärung: Sie werde sich "an den derzeitigen Spekulationen nicht beteiligen" und "in Kürze mit den zuständigen Gremien Gespräche führen".

Niemand springt ihr zur Seite

Eigentlich hätten an solch einem Tag ihre Stellvertreter, Dieter Graumann und Salomon Korn aus Frankfurt, ihr zur Seite springen müssen - oder ihr Generalsekretär Stefan Kramer. Sie taten es nicht, und deren Schweigen sagte mehr als jede Stellungnahme. 60 Jahre alt wird der Zentralrat in diesem Jahr - noch nie in diesen 60 Jahren ist jemand dort so brutal und stillos demontiert worden.

An diesem Sonntag trifft sich das Direktorium des Zentralrats, das Gremium der Landesverbände und der großen Gemeinden, da wird Charlotte Knobloch sich erklären müssen. Sie wird vielleicht ihren Rückzug ankündigen, vielleicht sogar schon vor November, darauf verweisen, dass sie 77 Jahre alt ist und nicht im Amt sterben will, wie alle ihre Vorgänger. Vielleicht wird sie auch noch einmal trotzig sagen, dass bis zur Wahl doch noch viel Zeit und nichts entschieden sei. Doch egal, was sie sagt, faktisch wird an diesem Sonntag ihre Amtszeit enden; es ist offensichtlich, dass ihre wichtigsten Mitstreiter sie nicht mehr unterstützen. Es war seit der Wahl im Juni 2006 kein glückliches Verhältnis, das Knobloch, Kramer, Korn und Graumann verband. Die Männer nahmen die Präsidentin nie richtig ernst, die Präsidentin wiederum fühlte sich in München heimisch, nicht in Berlin und der Bundespolitik.

Am Ende häuften sich die unglücklichen Auftritte des konkurrierenden Führungspersonals: In der Affäre um die traditionalistischen Piusbrüder überzog Charlotte Knobloch, als der Gazakrieg tobte, haute Graumann daneben, Generalsekretär Kramer schließlich musste sich bei Thilo Sarrazin entschuldigen.

Mahner und Gewissen des politischen Deutschlands

Jahrzehntelang war der Zentralrat Mahner und Gewissen des politischen Deutschlands, zuletzt konnte er diese Rolle nicht mehr ausfüllen. Intern wurde Knobloch der Vorwurf gemacht, sie integriere die Richtungen des durch die Zuwanderung unübersichtlich gewordenen Judentums zu wenig, sie repräsentiere die Generation der Holocaust-Überlebenden, die in der Geschichte lebe, nicht in der Zukunft. Und dann brachte wohl die Reise mit Außenminister Guido Westerwelle nach Jad Vaschem im November das Fass zum Überlaufen: "Den Vertreter der Möllemann-Partei umarmen, ohne eine politische Gegenleistung zu erhalten, das geht nicht", sagt ein Insider.

Andere verweisen allerdings darauf, dass es nun unfair wäre, Knobloch allein die Schuld für die Misere zu geben. "Das Präsidium hat sich kollektiv ins Abseits manövriert", sagt der Publizist Michel Friedman, einst selber Zentralrats-Vize. Unpolitisch sei die Vertretung der Juden geworden, "Ignatz Bubis gestaltete den Diskurs des Landes mit, nun wird der Zentralrat zur Lobby, die nur die eigenen Interessen im Blick hat."

Das trifft auch den Mann, der wohl die Nachfolge Knoblochs antreten wird: Dieter Graumann, der bisherige Vizepräsident aus Frankfurt. Er ist Jahrgang 1950; damit würde zum ersten Mal einer für die Juden in Deutschland sprechen, der nach der Shoah geboren wurde. Für den Zentralrat wäre das eine tiefe Zäsur. Doch der studierte Volkswirt Graumann ist als Finanzfachmann, guter Verwalter und harter Verhandler mit dem Innenministerium aufgefallen. Das muss nun, wo es Bestrebungen gibt, die Integrationsleistungen für zugewanderte Juden abzuschmelzen, kein Nachteil sein.

Doch ein Zentralratspräsident muss auch Zugewanderte und Alteingesessene in den Gemeinden versöhnen, der jungen Generation eine Stimme geben, ohne die Alten zu verletzen. Er muss mahnen, ohne zur Presseerklärungsmaschine zu werden, solidarisch mit Israel sein, ohne den Eindruck des blinden Lobbyisten zu erwecken. Und das alles ohne den Sympathie- und Verstehensbonus, den Charlotte Knobloch besaß und immer noch besitzt. "Kann sein, dass wir uns bald nach der Präsidentin zurücksehnen", sagt einer aus dem Zentralrat.

© SZ vom 05.02.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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