CDU:Wiederanpfiff

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Dinner-Plausch im Mittelkreis: Friedrich Merz (Mitte) beim traditionellen „Ständehaus-Treff“, der diesmal in der Düsseldorfer Arena stattfand. (Foto: Lukas Schulze/Getty Images)

Friedrich Merz meldet sich zurück im Kampf um den CDU-Vorsitz - vor den coronabedingt leeren Rängen eines Fußballstadions.

Von Boris Herrmann, Düsseldorf

Friedrich Merz betritt das Stadion durch den Spielertunnel. Entschlossen schreitet er in Richtung Anstoßpunkt, als ob er Paris Saint-Germain im Alleingang besiegen wolle. Das wirkt nicht nur deshalb leicht befremdlich, weil es sich hier letztlich halt doch nur um das Stadion des Zweitligisten Fortuna Düsseldorf handelt. Für diesen ersten größeren öffentlichen Auftritt des CDU-Politikers seit der Corona-Pause wurde ein roter Teppichstreifen über den Rasen gerollt, der ihn direkt zum Mittelkreis führt. Dort sind an diesem Montag die Tische für gut 500 Dinner-Gäste eingedeckt. Merz kommt gerade noch rechtzeitig zur Vorspeise. Geeistes Gurken-Wasabi-Süppchen mit Eismeergarnelen und Limettensorbet.

Moment mal, eine Großveranstaltung in der Arena? Angesichts steigender Infektionszahlen besteht eigentlich wenig Anlass, die seit Monaten sehr spärlich besuchten Fußballstadien nun auf andere Weise zu füllen. An diesem Punkt scheinen sich sogar die Ministerpräsidenten Nordrhein-Westfalens und Bayerns, Armin Laschet (CDU) und Markus Söder (CSU), einig zu sein. Den beiden ging es bei ihrer Warnung vor Superspreader-Events in zweckentfremdeten Stadien zwar eher um ein geplantes Popkonzert mit Bryan Adams, Sarah Connor und 13 000 Zuhörern. Und doch wird man das Gefühl nicht los, dass dieser Merz-Auftritt nicht zur Beruhigung der Unions-Gemüter im Kanzlerkandidatenkomplex beitragen wird.

Als Gegenspieler von Merkel kann Merz derzeit nicht punkten - wegen ihrer Beliebtheitswerte

Zum Auftakt geht es um seine Konkurrenten im zähen Ringen um den CDU-Vorsitz, die nach Lage der Dinge Laschet und Norbert Röttgen heißen. Merz sagt: "Ich habe nichts dagegen, wenn einer der beiden Mitbewerber nicht kandidiert." Er selbst werde das jedenfalls durchziehen - eine klare Botschaft aus aktuellem Anlass. Da die SPD ihre Personalfragen einstweilen geklärt und damit plötzlich einen Wettbewerbsvorteil hat, wird in der CDU wieder verstärkt über eine "einvernehmliche Lösung" geredet. Die scheidende Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer wünscht sich das genau wie Fraktionschef Ralph Brinkhaus. Und Laschet warb am Montag gemeinsam mit Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther für den "Team-Gedanken". Merz mag den Ausdruck nicht, jedenfalls nicht in dem Sinne, wie ihn Laschet verwendet. "Merz soll aufhören zu kandidieren, und dann sind wir ein Team. Das ist aber nicht meine Vorstellung von einem Team", sagt Merz.

Überhaupt findet er nichts Verwerfliches daran, über eine so wichtige Personalentscheidung auf dem Parteitag im Dezember abzustimmen. "Wir sind doch nicht in der DDR", ruft Merz. Da lachen sie natürlich an den Tischen im Stadion. Der aus Infektionsschutzgründen hierher verlegte "Ständehaus-Treff" der Rheinischen Post ist ein traditionsreiches High-Society-Event. Neben den Ersatzbänken wurden dekorativ zwei Porsches platziert.

Als Politiker ohne Amt und Mandat hat Merz seine Aussichten auf den Parteivorsitz in den vergangenen Monaten nicht eben verbessern können. Er selbst sieht das anders, "ich liege in allen Umfragen in der Partei und in der Öffentlichkeit vorne". Und was ist mit jener jüngsten Erhebung, die für ihn einen deutlichen Popularitätsverlust seit Beginn der Corona-Krise ausweist? Merz sagt, er gehöre da gar nicht rein, weil er nämlich im Moment gar kein Politiker sei. Ja, was denn sonst? "Ich bin zurzeit freiberuflich tätig." Ein Satz, der ihm im Verlauf der Kampagne noch wehtun könnte. Im Fußball würde man sagen, ihm fehle nach der langen Pause wohl noch ein wenig die Spielpraxis.

Das letzte Heimspiel der Fortuna vor vollen Rängen fand Ende Februar statt. Damals spielte Düsseldorf noch in der Ersten Liga, und Friedrich Merz reiste wie ein Popstar auf Comeback-Tournee durch die Lande. An seiner Krönung zum Parteichef, der den angestaubten Laden mal ordentlich umkrempeln würde, schien kaum ein Weg vorbeizuführen. Lange her. Als ewiges Gegenmodell zu Angela Merkel wirkt er inzwischen ein bisschen aus der Zeit gefallen. Die Kanzlerin ist jetzt wieder so beliebt wie selten zuvor. Und Merz behält seine gesammelten Merkel-Kritiken deshalb lieber für sich. Er sagt: "Wir hatten schwierige Zeiten. Und ich glaube, wir haben jetzt wieder gute Zeiten."

Überhaupt sieht er sich bestens positioniert für die kommenden Monate. Auf die Pandemiekrise folgt laut Merz unweigerlich die Wirtschaftskrise, und wer wäre da besser geeignet, das Land zu führen, als ein Wirtschaftsexperte?

Fragt sich noch, ob der Parteitag im Dezember in Stuttgart überhaupt stattfinden kann, wenn die zweite Welle so weitergeht. Dieser sei "unverzichtbar", sagt Merz und weiß auch, wie es zur Not gehen könnte: im Fußballstadion. Tatsächlich wirkt die Düsseldorfer Arena angenehm luftig trotz der 500 Gäste. Und das wäre schon fast ein halber CDU-Parteitag.

© SZ vom 26.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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