CDU:Blinken, ohne abzubiegen

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Friedrich Merz attackiert die Funktionäre der eigenen Partei, Annegret Kramp-Karrenbauer kontert: Endlich hat der Wahlkampf in der CDU richtig begonnen. Gut so, denn es geht, allen Beteuerungen von Merz zum Trotz, auch um eine Richtungsentscheidung.

Von Daniel Brössler

Es hat gedauert, aber weniger als zwei Wochen vor der Entscheidung hat der Kampf um den Vorsitz der CDU nun wirklich begonnen. Mit seinem Vorwurf, die Partei habe den Aufstieg der Alternative für Deutschland bislang "mit einem Achselzucken" hingenommen, hat Friedrich Merz die Wellness-Phase der Auseinandersetzung mit Annegret Kramp-Karrenbauer und, am Rande, Jens Spahn beendet. Offengelegt ist damit, worum es geht: eine Richtungsentscheidung. Die Beteuerung der Bewerber, die Partei auch künftig in der Mitte positionieren zu wollen, hat daran nichts geändert. Sie hat es nur verschleiert.

Sein Wiederauftauchen aus den Tiefen der politischen Vergangenheit hat Friedrich Merz mit einem großen Versprechen inszeniert: Er traue sich zu, die Wahlergebnisse der AfD zu halbieren. Eine politische Zukunft gibt es für Merz nur, wenn eine Mehrheit der Delegierten seiner robusten Selbsteinschätzung in dieser Frage folgt. Etliche tun es zweifellos. Auch deshalb haben so viele Förderer und Weggefährten das ewige Nachwuchstalent Jens Spahn so eilfertig fallen gelassen. Dabei hat Merz bisher im Ungefähren belassen, wie er die AfD-Halbierung ins Werk zu setzen gedenkt.

Der Grund ist einfach und lässt sich anhand der jüngeren Parteigeschichte der SPD studieren. Nach den Reformen der Agenda 2010 fanden die Sozialdemokraten auch deshalb kein Mittel gegen den Aufstieg der Linkspartei, weil es keines gab, das nicht die Preisgabe der Mitte bedeutet hätte. Wenn Merz nun "klipp und klar" versichert, dass es mit ihm keine Achsenverschiebung der Union nach rechts geben werde, so belegt das zunächst einmal nur, dass er sich des Problems bewusst ist, nicht aber, dass er eine Lösung gefunden hätte.

Bislang begnügt sich Merz damit, rechts zu blinken, ohne abzubiegen. So hat er die von ihm losgetretene Debatte über das vom Grundgesetz garantierte Individualrecht auf Asyl angeblich begriffsstutzigen Journalisten angelastet. Liberale gesellschaftliche Reformen wie die Ehe für alle will er nicht revidieren und beklagt lediglich, dass sie einer besseren Vorbereitung und breiteren Debatte bedurft hätten. Selbst in der Flüchtlingsfrage vermeidet er den Frontalangriff auf Merkel, wiewohl er kaum einen Zweifel daran lässt, dass er 2015 Grenzschließungen für richtig gehalten hätte. Merz überlässt es den Delegierten, ihre Schlüsse zu ziehen. Jene, die zurück wollen zu einem konservativeren Profil, dürften kaum Annegret Kramp-Karrenbauer wählen.

Kramp-Karrenbauer attackiert Merz - nun hat der Kampf um den Vorsitz wirklich begonnen

Wenn die Generalsekretärin den von Merz erhobenen Vorwurf der achselzuckenden Hinnahme des AfD-Aufstiegs nun als "Schlag ins Gesicht" praktisch der ganzen Partei und als "naiv" geißelt, brandmarkt sie Merz zum einen geschickt als Außenseiter. Zum anderen aber wird auch der Grundkonflikt deutlich. Jede oder jeder, der Angela Merkel an der Spitze der CDU folgt, wird Akzente verschieben. Kramp-Karrenbauer aber verspricht, dass sie weiter einen Kurs harter Konfrontation mit der AfD und ihrer rechten Hetze verfolgen wird. Darüber, wo die CDU in dieser Auseinandersetzung künftig steht, werden die Delegierten in Hamburg zwar nicht ausdrücklich abstimmen, aber eben doch entscheiden.

Der Anspruch, dass keiner gegen die Union regieren könne, sei zu wenig, sagt Merz. Mag sein. Aber wenn die CDU nicht aufpasst, verliert sie selbst den.

© SZ vom 26.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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