Burkina Faso:Eine Frage der Ähnlichkeit

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Zweiter Versuch: Thomas Sankara, 1987 ermordeter Präsident von Burkina Faso bekommt in Ouagadougou ein neues Denkmal, das ihm ähnlicher sehen soll. (Foto: Olympia de Maismont/AFP)

Im zweiten Anlauf bekommt das Land eine Statue seines Revolutionärs.

Von Bernd Dörries, Kapstadt

Die meisten Burkinabe, die Bürger von Burkina Faso, haben ihren Helden nie selbst erlebt. Sie sind zu jung, um noch zu wissen, wie der 1987 ermordete Präsident und Revolutionär Thomas Sankara in der Realität wirklich aussah. Als im März 2019 eine Statue von ihm in der Hauptstadt Ouagadougou enthüllt wurde, begann es schnell zu grummeln in der Bevölkerung, waren sich doch viele sicher, dass Sankara wohl kaum so ausgesehen habe. Die Kritik: Die Statue von Sankara habe zu wenig Ähnlichkeit mit ihm, die Gesichtszüge seien undeutlich. Es ist ein Problem, dass auch schon in anderen Staaten auf dem afrikanischen Kontinent bemerkt wurde, ob im "Heros Acre" dem Heldenfriedhof der Revolutionäre in Simbabwe oder beim Denkmal der Afrikanischen Renaissance: Die abgebildeten Helden haben oft erstaunlich asiatische Gesichtszüge, was daran liegt, dass eine nordkoreanische Firma ein Quasimonopol hatte, den halben Kontinent mit Denkmälern zustellte.

In Burkina Faso durfte sich selbstverständlich ein lokaler Künstler ans Werk machen, alles andere hätte kaum dem Geist Thomas Sankaras entsprochen, der in seiner Amtszeit immer wieder Kampagnen für die Wertschätzung und Förderung heimische Produkte startete.

Das erste Denkmal war angeblich der Hitze nicht gewachsen

Trotzdem wurde das Grummeln und Mosern so groß, dass die fünf Meter hohe Figur überarbeitet werden musste - und nun vor wenigen Tagen erneut eingeweiht wurde. "Es ist schwer zu sagen, ob jemand Thomas Sankara zu 100 Prozent treffen kann", sagt Außenminister Alpha Barry bei der Einweihung diplomatisch. Der Künstler Jean Luc Bambara erklärte, die Überarbeitung sei aufgrund minderwertigem Materials notwendig geworden, die erste Statue sei bei Temperaturen um die 45 Grad teilweise geschmolzen. Außerdem habe er beim ersten Versuch unter Zeitdruck gestanden. Die Statue sollte im März 2019 fertig sein, zum 50-jährigen Bestehen des größten afrikanischen Filmfestivals Fespaco, das auch Sankara ein Anliegen war. Alles musste schnell gehen damals. Nachdem das Land Jahrzehnte warten musste, bis es Sankaras gedenken konnte.

Vier Jahre lang hat er Burkina Faso regiert, dessen kolonialen Namen er durch das "Land der Aufrichtigen" ersetzte, was gleichzeitig als sein Regierungsprogramm gelten kann. Er war ein früher Feminist, der viele Frauen in Ämter hob. Er war Umweltschützer, der gegen die Versandung durch die Sahara auf Wiederaufforstung setzte. Er war Globalisierungskritiker, der heimische Kleinunternehmer vor den Importen von Großunternehmen schützen wollte und einen Schuldenschnitt für Afrika verlangte: "Die Ursprünge der Schulden liegen im Kolonialismus", sagte Sankara. Er kämpfte gegen Korruption der Elite und deren Privilegien, fuhr selber nur einen kleinen Renault und ließ seine Einkünfte veröffentlichen.

Sankara war ein großer Rhetoriker und wollte einen Staat schaffen, der frei war von Korruption und vom Einfluss des Westens, vereint mit den afrikanischen Nachbarländern. Bis heute ist er eine große Projektionsfläche für Millionen junger Afrikaner, die mit einem Seufzen darüber sinnieren, was aus Burkina Faso oder sogar dem Kontinent hätte werden können, wäre Sankara noch am Leben. Er ist der Che Guevara Afrikas, sein T-Shirt sieht man in den Slums von Lagos und bei den jungen Programmierern in den Spiegelglashochhäusern von Nairobi. Was gerne verdrängt wird, Sankara war auch ein Offizier mit autoritären Zügen, der nicht viel davon hielt, wenn Gewerkschaften oder Lehrer für mehr Geld oder demokratischen Spielraum demonstrierten, dann wurden sie entlassen oder verhaftet. Er starb durch die Kugeln der Putschisten seines einstigen Freundes Blaise Compaoré, der das Land dann 27 Jahre regierte und zu seiner Beute machte. Erst als die Jugend sich 2014 erhob und ihn aus dem Amt jagte, konnte wieder offen über Sankara gesprochen werden. Junge Aktivisten schufen einen Verein, der den Bau des Denkmals voranbrachte, ein Kongresszentrum und ein Museum sollen folgen. Als Frankreichs Präsident Emmanuel Macron 2017 in Burkina Faso war, sang auch er ein Loblied auf Sankara. Und er versprach, bisher geheime Akten zugänglich zu machen, die auch Aufschluss darüber geben könnten, ob Frankreich in die Ermordung verwickelt war. Darauf warten Sankaras junge Fans bis heute.

© SZ vom 26.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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