Bundeswehrreform:Das Ende vom Anfang

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Die Reform der Bundeswehr nimmt Konturen an, nicht aber die Strategie für künftige Einsätze.

Joachim Käppner

Die eigentliche Nachricht ist eigentlich schon keine Nachricht mehr. Noch zu Beginn des Jahres wäre es eine Sensation gewesen, hätte sich eine vom Verteidigungsminister eingesetzte Kommission - wie nun jene unter Frank-Jürgen Weise - gegen die Wehrpflicht ausgesprochen.

Grosser Zapfenstreich der Marine in Rostock. (Foto: dapd)

Damals hatten die Verteidiger des Pflichtdienstes an der Waffe schwerste Artillerie aufgefahren: Ohne ihn werde die Armee dümmer und undemokratischer. Inzwischen hat Karl-Theodor zu Guttenberg mit einem politischen Meisterstück die Aussetzung der Wehrpflicht längst durchgesetzt: Mission erfüllt.

Andererseits ist die Reform ja damit nicht zu Ende; sie ist, um mit Churchill zu sprechen, nicht einmal der Anfang vom Ende, sondern höchstens das Ende des Anfangs. Und Weise liefert ihm dafür wie gewünscht eine im Großen und Ganzen passende Blaupause. Unübersehbar festigt sie den Zugriff des Ministers. Die neue militärpolitische Abteilung, direkt bei ihm angesiedelt, soll eine Art think tank werden.

Schon dadurch wird der Generalinspekteur geschwächt - und nicht nur der Primat der Politik über die Streitkräfte gestärkt, sondern auch der Primat des Barons zu Guttenberg über seinen obersten Soldaten. Militärisch freilich soll er mehr Kompetenzen haben als je zuvor. Das ist ein bemerkenswerter Vorschlag, weil er den Posten deutlich effizienter macht und sich gleichzeitig nicht mehr um, ohnehin längst überflüssige, Sorgen schert, in der Bundeswehr könne wieder etwas heranwachsen, was auch nur entfernt an den berüchtigten Generalstab von einst erinnert.

Auch die Konzentration der Kräfte bei den Auslandsmissionen auf das Einsatzführungskommando erscheint als richtiger Schritt. Insgesamt will die Kommission der Bundeswehr inklusive ihres Fachministeriums eine wesentlich gestraffte Befehlsstruktur verordnen, aus guten Gründen. Nach dem Ende des Kalten Krieges ist mit den Aufgaben auch die Zahl der Führungsebenen drastisch gewachsen.

Im Heer Friedrichs des Großen gab es einmal so viele hohe Offiziere, dass denen die Mannschaften zum Herumkommandieren ausgingen; der Regent löste das Problem mittels der "großen Werbung" durch mehr Soldaten, nicht durch weniger Offiziere und Stäbe. So leicht hat es Guttenberg nicht, er muss weit hinunter von den 250.000 Mann heutiger Stärke.

Die etwa 180.000, die ihm die Kommission nahelegt, sind noch nicht das letzte Wort. Wichtig ist aber, dass der künftige Umfang der Bundeswehr durch die Aufgaben bestimmt wird und nicht durch sachfremde Erwägungen, etwa der Beibehaltung zu vieler Standorte, um die Länderfürsten zu beruhigen.

Zu einem größeren Problem könnte sich der Anteil derer auswachsen, die im Rahmen eines freiwilligen Dienstes von fast zwei Jahren zur Bundeswehr gehen sollen. Wie bisher die Wehrpflichtigen gelten sie als Reservoir für talentierten Nachwuchs, ohne sich gleich als Berufssoldaten verdingen zu müssen. Wächst ihre Zahl aber zu sehr

, und die Kommission will gleich 15000 pro Jahr aufnehmen, bleiben die Nachteile im Kern erhalten, derentwegen man die Wehrpflicht doch loswerden will: Ihre Betreuung, Ausbildung und Verwaltung würde dann ähnlich viel Aufwand erfordern wie zuvor bei den Gezogenen.

Konsequent ist es, die Zahl der Soldaten, die man gleichzeitig ins Ausland entsenden kann, mindestens zu verdoppeln. Dass die Bundeswehr nur mit Mühe und Not 7000 von einer Viertelmillion Soldaten auf internationale Missionen entsenden konnte, war schon immer ein Symbol für ihre massiven Strukturprobleme.

Am Ende aber sind alle Zahlenspiele wenig wert, solange man nicht weiß, was die Streitkräfte künftig leisten sollen. Werden sie eine reine Einsatzarmee, kommt auf sie - und auf die Gesellschaft - weit mehr zu als eine Strukturreform. Denn schon in Afghanistan bedeutet das Wort Einsatz schlicht: Krieg.

© SZ vom 26.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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