Bundeswehr:Raus aus der Defensive

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Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer steht unter Druck, der Bundeswehr zu positiven Schlagzeilen zu verhelfen. So sollen Materialbeschaffung und Instandsetzung neu koordiniert werden - und das ohne externe Berater.

Von Daniel Brössler, Berlin

Mission ungewiss: Ob die Bundeswehr in Afghanistan bleibt – hier Soldaten in Kundus – ist auch vom Verbleib der US-Truppen abhängig. (Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Für die Insider war es ein Wink mit dem Zaunpfahl. Frankreich bleibe der bedeutendste Partner, hatte Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer zu Wochenbeginn in ihrer Rede bei der Bundeswehrtagung gesagt. Allerdings sei das ein Partner, der "hochambitioniert, aber in der Umsetzung auf Partner angewiesen" sei. "Das erzeugt bei uns Handlungsdruck und Fragen, mit denen wir uns auseinandersetzen werden", sagte die CDU-Chefin. Vielen der Zuhörer war klar, dass damit nicht ferne, sondern allernächste Zukunft gemeint war. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat für diesen Freitag eine große sicherheitspolitische Rede angekündigt und mittlerweile gilt: Reden des Franzosen machen die Politik in Berlin nervös, noch bevor sie gehalten werden. Klar ist jedenfalls, dass Macron von den Deutschen mehr erwartet.

Kramp-Karrenbauer will auch, aber natürlich nicht nur wegen dieses Drucks aus Paris aus der Defensive. Dem Spitzenpersonal der Bundeswehr präsentierte sie eine "Initiative Einsatzbereitschaft", die nicht mehr wie zu Zeiten ihrer Vorgängerin Ursula von der Leyen von Heerscharen externer Berater betrieben, sondern mit dem klassischen Know-how aus der Truppe bewerkstelligt werden soll. So soll die Beschaffung von Material und Ausrüstung vereinfacht, das Beschaffungsamt (BAAINBw) personell verstärkt werden. Bei der Marine soll Gerät wieder sofort instand gesetzt werden können. Auch die Zahl der Flugstunden beim Kampfflugzeug Eurofighter will Kramp-Karrenbauer erhöhen. "Wir brauchen Ergebnisse, handfest und spürbar", forderte die Ministerin.

Der Druck entsteht dabei nicht nur wegen möglicher neuer Aufgaben, die Kramp-Karrenbauer perspektivisch in der Sahelzone, wo die Franzosen auf Hilfe hoffen, Syrien oder Libyen vermutet. Die Bundeswehr ist schon derzeit in zwölf Missionen auf drei Kontinenten im Einsatz und wird das im Wesentlichen auch bleiben. Darüber herrscht in der großen Koalition Einvernehmen. Vier Mandate stehen bis Ende März im Bundestag zur Verlängerung an. Zwei kleine Einsätze sollen an diesem Mittwoch im Kabinett beraten werden. Zum einen geht es da um die Unamid-Mission im Sudan, an der die Bundeswehr mit bis zu 50 Soldatinnen und Soldaten beteiligt ist. Zum anderen steht die Verlängerung von Unmiss im Südsudan an, ebenfalls mit einer Obergrenze von 50 Soldaten.

Politisch brisanter ist die Frage, wie es für die Bundeswehr in Afghanistan weitergeht. Derzeit sind etwa tausend deutsche Soldaten in Masar-i-Scharif stationiert, weitere 150 in Kabul und Bagram. 100 Bundeswehr-Angehörige beraten die afghanische Armee außerdem unter schwierigen Bedingungen in Kundus. Der Einsatz ist Teil der Ausbildungs- und Beratungsmission Resolute Support, deren Zukunft ungewiss ist, seit US-Präsident Donald Trump auf eine Einigung mit den Taliban hofft und den Rückzug großer Truppenteile plant. "Ich gehe davon aus, dass das Mandat verlängert wird", sagt der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Nils Schmid. Allerdings gelte: "Gemeinsam rein, gemeinsam raus." Die Zukunft des Bundeswehr-Einsatzes hänge also maßgeblich vom weiteren Engagement der Vereinigten Staaten und von den Friedensbemühungen in Afghanistan ab. Ähnlich sieht es der Vize-Fraktionschef von CDU/CSU im Bundestag, Johann Wadephul: "Wir bleiben, wenn die internationale Gemeinschaft bleibt."

Ungewiss ist auch das Schicksal des Einsatzes gegen die Terrormiliz Islamischer Staat. Zum einen ist immer noch nicht klar, ob die deutschen Ausbilder im Irak noch erwünscht sind. Das irakische Parlament hatte nach der Tötung des iranischen Generals Qassim Soleimani durch eine US-Drohne den Abzug ausländischer Truppen aus dem Land gefordert. Gleichzeitig bemüht sich aber die Regierung in Bagdad, die westliche Militärhilfe zu halten. Einigkeit herrscht in Berlin darüber, dass nach einem Abzug der US-Truppen schon aus Sicherheitsgründen kein Verbleib im Irak mehr möglich wäre. Nächste Woche wollen Kramp-Karrenbauer und US-Verteidigungsminister Mark Esper vor Beginn der Münchner Sicherheitskonferenz mit den Teilnehmern der Operation Inherent Resolve über die Zukunft der Anti-IS-Koalition beraten.

Kramp-Karrenbauer steht dabei unter Zeitdruck, weil ein wesentlicher deutscher Beitrag mit einem Verfallsdatum versehen ist. Am 31. März endet das Mandat für Tornado-Aufklärungsflüge durch die Bundeswehr. Eigentlich hätte der Einsatz schon vergangenes Jahres auslaufen sollen, aber es fehlte Ersatz. Eine weitere Verlängerung werde es nun auf gar keinen Fall geben, mahnt SPD-Außenpolitiker Schmid. "Es ist Sache der Verteidigungsministerin, den Parlamentsbeschluss umzusetzen", sagt er. Derzeit sieht es danach aus, als könnte das gelingen. Italien steht offenbar bereit, die Aufklärungsflüge zu übernehmen. Vom jordanischen Stützpunkt al-Asraq aus kümmert sich die Bundeswehr allerdings auch um Luftbetankung. Er gehe davon aus, sagt Unions-Fraktionsvize Wadephul, dass es bei dieser Aufgabe bleiben werde.

© SZ vom 05.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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