Bundeswehr:Neue Traditionen

Die Bundeswehr benennt eine Kaserne um - das wurde Zeit.

Von Kia Vahland

Ein General, der 1914 völkerrechtswidrig Belgien überfallen hat, in preußischer Uniform, ist offensichtlich keine passable Identifikationsfigur. Bis zum gestrigen Mittwoch aber war eine Kaserne in Hannover nach Otto von Emmich benannt. So lange wirkt das gewalttätige Heldentum der alten Angriffskrieger nach, auf subtile Weise. Es wirkt nicht nach, weil Männern wie Emmich heute noch gehuldigt würde - sondern weil sie und ihre Untaten derart vergessen sind, dass kaum mehr jemand etwas mit ihren Namen verbindet.

Mit diesem halb bewussten militaristischen Erbe räumt die Bundeswehr nun auf, wie dies lange vorher schon Schulen taten oder Städte, die ihre Straßen nicht mehr nach Kolonialherren oder Altnazis benannt wissen möchten. Das ist ein Akt der Klarheit, und es ist auf neue Art selbstbewusst: Jetzt heißt die Kaserne nach Hauptfeldwebel Tobias Lagenstein, der vor sieben Jahren sehr jung in Afghanistan bei einem Anschlag getötet wurde.

Dies ist ein Bekenntnis zur Realität. Sichtbar wird so, dass Auslandseinsätze Opfer fordern. Und es zeigt, dass die Bundeswehr sich in ihrem Traditionsverständnis neu erfinden muss. Denn so viele historische Bezugsgrößen gibt es nicht, man muss sie gezielt suchen, etwa die wenigen Wehrmachtsoffiziere, die Juden retteten, oder die Revolutionäre von 1848. Ein offensiver Umgang mit der Vergangenheit und Gegenwart kann das gefährliche Vakuum füllen, das verschämtes Schweigen bislang hinterließ.

© SZ vom 29.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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