Bundeswehr in Afghanistan:Schneller schießen

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Neue Regelung für den Afghanistan-Einsatz: Bundeswehr-Soldaten dürfen künftig eher zur Waffe greifen.

Peter Blechschmidt, Berlin

Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) hat die Anweisungen zum Schusswaffengebrauch für Soldaten im Einsatz in Afghanistan präzisiert. Ziel sei, für die Soldaten im Einsatz mehr Handlungssicherheit zu schaffen, heißt es im Verteidigungsministerium. Mit der Neufassung der sogenannten Taschenkarte reagierte Jung auf die zunehmende Verunsicherung in der Truppe angesichts der vermehrten Attacken von Aufständischen in den vergangenen Monaten.

Schwieriger Einsatz: Deutsche Soldaten - hier bei einer Gefechtsübung - in Afghanistan (Foto: Foto: ddp)

Kernpunkt der seit Freitag gültigen Neuregelung ist die Erlaubnis, Angriffe nicht nur abwehren zu dürfen, sondern erkennbar beabsichtigten Attacken schon im Vorfeld zu begegnen. So heißt es jetzt in der Taschenkarte: "Angriffe können zum Beispiel dadurch verhindert werden, dass gegen Personen vorgegangen wird, die Angriffe planen, vorbereiten, unterstützen oder ein sonstiges feindseliges Verhalten zeigen."

Welche Maßnahmen dies sind, lässt die Taschenkarte allerdings offen. Dies muss der einzelne Einsatzführer gemäß der jeweiligen Lage entscheiden. "Man kann schwerlich jede Situation vorhersehen", hieß es dazu im Ministerium. Auf jeden Fall muss die Anwendung von Gewalt zur Verhinderung von Angriffen vom militärischen Führer befohlen werden.

Verbesserung der rechtlichen Situation

Vor allem die Erlaubnis, präventiv gegen mutmaßliche Angreifer vorgehen zu können, bedeutet für die Soldaten eine Verbesserung ihrer rechtlichen Situation. Jeder Vorfall, bei dem ein Zivilist in Afghanistan verletzt oder gar getötet wird, führt in Deutschland zu einer juristischen Überprüfung. In den bisherigen Anweisungen hieß es, dass nicht auf flüchtende Personen geschossen werden dürfe, wenn diese "erkennbar von ihrem Angriff abgelassen haben".

Dies ließ die Möglichkeit außer Acht, dass sich die Flüchtenden durchaus zu einem neuen Angriff formieren konnten. Auch einen ganz praktischen Nutzen hat die neue Taschenkarte. Der generell fällige Warnruf "Halt, oder ich schieße" muss nur noch in Englisch abgegeben werden, nicht mehr wie bisher auch in den Landessprachen Paschtu und Dari.

Der FDP-Wehrexperte Rainer Stinner, der sich seit langem für die Neufassung der Taschenkarte eingesetzt hatte, wertete die Änderungen als richtig und notwendig. Sie seien allerdings nicht nur Klarstellungen, sondern bedeuteten eine Erweiterung der Kompetenzen der Soldaten. Das dürfe der Öffentlichkeit nicht vorenthalten werden.

© SZ vom 28.7.2009/plin - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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