Bundeswehr in Afghanistan:Jung sieht bei sich keine Versäumnisse

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Stellungnahme des früheren Verteidigungsministers: Franz Josef Jung rechtfertigt im Bundestag seine Informationspolitik nach dem tödlichen Luftangriff auf zwei Tanklaster nahe Kundus. An Rücktritt denkt er nicht - doch auf die Unterstützung der Kanzlerin kann er nicht zählen.

Gerde einmal zehn Minuten hat der Auftritt von Franz Josef Jung im Bundestag gedauert. Mit ein paar kleinen Zetteln in der Hand geht der frühere Verteidigungs- und jetztige Arbeitsminister zum Rednerpult. Vorbei an den Ministern, vorbei an der Kanzlerin, die ihn kaum anblickt.

Der ehemalige Verteidigungsminister Jung kann nicht auf Kanzlerin Merkel zählen. (Foto: Foto: ddp)

Rasch machte Jung deutlich: Er will im Amt bleiben. Vor den Abgeordneten rechtfertigte er sich für seine Informationspolitik über den von einem deutschen Oberst angeordnten Luftangriff auf Tanklastzüge nahe Kundus. Dabei wurden nach Nato-Angaben bis zu 142 Menschen getötet oder verletzt, darunter 30 bis 40 Zivilisten.

Er habe Parlament und Öffentlichkeit "korrekt über seinen Kenntnisstand informiert", sagte er. Er habe sich sofort um eine "sachgerechte Aufklärung" bemüht, fügte Jung in der eigens anberaumten Debatte im Bundestag über die neuen Vorwürfe zur Informationspolitik über den Luftschlag in Nordafghanistan am 4. September hinzu.

Jung ist in die Kritik geraten, weil nach dem umstrittenen Bombenangriff auf zwei Tanklaster in Kundus Informationen über Hintergründe und zivile Opfer in seinem Ministerium zurückgehalten wurden.

Er habe nach dem Angriff mit dem betroffenen Oberst und dem Kommandeur der Afghanistan-Schutztruppe, US-General Stanley McChrystal, telefoniert, sagte Jung weiter. Er habe auch früh erklärt, dass er zivile Opfer bedauere und sich "um die Angelegenheit kümmern" werde. Damit sind Entschädigungszahlungen gemeint.

Die SPD kritisierte die Ausführungen des früheren Verteidigungsministers scharf. Von einem Minister erwarte man, dass er, "auch wenn es schwierig wird, politische Verantwortung übernimmt", sagte der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold. Er warf Jung eine "Salami-Taktik" bei den Informationen über die Folgen des von einem deutschen Oberst angeordneten Luftangriffs vor.

Die FDP forderte eine lückenlosen Aufklärung der Informationspolitik von Jung. "Es geht um einen sehr ernsten Sachverhalt", sagte die FDP-Sicherheitsexpertin Elke Hoff und fügte hinzu: "Wir sollten uns hüten vor Vorverurteilungen vor einer lückenlosen Aufklärung im Deutschen Bundestag." Dies liege auch im Interesse der Soldaten der Bundeswehr.

Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin forderte den Rücktritt von Jung und sagte, der Generalinspekteur der Bundeswehr, Wolfgang Schneiderhan, habe Verantwortung für einen Fehler übernommen und dafür müsse man ihm Respekt zollen. Er hätte sich von Jung "die gleiche mannhafte Courage" gewünscht "für diesen Fehler zurückzutreten". Faktisch habe Jung der Öffentlichkeit und dem Parlament die Unwahrheit gesagt, meinte Trittin. "Deshalb wäre es gut gewesen, wenn sie heute diese Konsequenz gezogen hätten".

Auch Links-Fraktionschef Gregor Gysi forderte Jung zum Rücktritt auf. "Sie werden letztlich keine andere Wahl haben. Ziehen Sie die Konsequenzen, das ist in Ihrem und in unserem Interesse", sagte er. Jung habe die Öffentlichkeit und das Parlament per Salamitaktik nur Schritt für Schritt informiert und auch die Arbeit der Staatsanwaltschaft erschwert.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte sich zuvor zurückhaltend zur Zukunft des jetzigen Arbeitsministers geäußert. Sie vertraue auf seine angekündigte Erklärung zu den Vorgängen beim Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr am Abend im Bundestag, sagte Merkel lediglich vor Journalisten nach einem Treffen mit dem neuen Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen im Kanzleramt.

Merkel ging indes deutlich auf Distanz. Sie habe immer gesagt, dass der Afghanistan-Einsatz nur dann das Vertrauen der Bevölkerung haben könne, wenn es stets "volle Transparenz" und "volle Aufklärung" gebe.

Ausdrücklich stärkte sie dem neuen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) den Rücken. Er habe ihre "volle Unterstützung, wenn er das aufklärt, was vielleicht noch aufzuklären ist und auch die notwendigen Konsequenzen vollzieht", sagte die Kanzlerin. Sie vertraue darauf, dass Jung dies in seiner Erklärung deutlich mache. "Ich habe natürlich volles Vertrauen zu ihm, dass er dies genau in dem gleichen Geiste machen wird, dass Verantwortung in Afghanistan bedeutet, dass wir auch auf volle Transparenz dringen."

Guttenberg hatte als Konsequenz aus der Verheimlichung der Informationen Bundeswehr-Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan entlassen. Auch Staatssekretär Peter Wichert muss seinen Posten räumen. Die Opposition fordert den Rücktritt Jungs und die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses.

© sueddeutsche.de/Reuters/AP/dpa/bica - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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